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Album-Review: Zöllner-Roche Duo – Mechanics of Breath

Seit Jahren bilden die Akkordeonistin Eva Zöllner und die Klarinettistin Heather Roche das Zöllner-Roche Duo, als das die beiden auf ihre eigene Weise in der Neuen Musik wegweisenden Künstlerinnen fleißig die Welt bereisen. Allein in der kurzen Zeit, in der ich das Duo verfolge waren es zahlreiche Tourneen, die letzte davon in Südamerika.

Nun verschlug es die beiden nach Schweden, wo sie wie so viele andere von der aktuellen Krise erreicht wurden, die ihre bereits laufende Tour durch das Land jäh beendete. Um sich nicht komplett in diese Situation zu fügen, nahmen die Musikerinnen ganz spontan ihr Tourprogramm auf und veröffentlichten es als Album bei Bandcamp.

Mechanics of Breath

Der erste, spontane Eindruck, den ich beim durchsehen und durchhören durch das Album bekam, war das Gefühl, was man alles verpasst, wenn man nicht bei den Konzerten des Zöllner-Roche Duo anwesend sein kann. Die sechs Stücke bilden eine so vielseitige, aber doch stimmige Zusammenstellung, die auch aus der Ferne sowohl als Album als auch als Konzertabend schnell überzeugt.

Mit Stücken von Alessandro Perini, Lina Järnegard, Rachel Beja, Miki Manabe, Francesco del Nero und Jonatan Sersam gehen Zöllner und Roche durch verschiedene Klangwelten, opulente Vielstimmigkeit, introvertierte Geräuschexplorationen, wechselseitiges Melodiespiel und fast fanfarenhafte Momente, die aber alle immer wieder geprägt sind von dem über Jahre gewachsenen, blinden Verständnis, das die beiden Musikerinnen in Vortrag und Interpretation zu einen und durch das Programm zu führen scheint. Immer wieder übergeben sie sich die musikalischen Themen geschickt und lassen Diese so Klangmetamorphosen durchlaufen, um dann im nächsten Moment wieder Schritte auseinander zu gehen, Einigkeit zu zerreissen und Kontraste zu etablieren. Gerade in “Passing lodestones” von Jonatan Sersam ist das gut erfahrbar, wenn die Themen ein ums andere mal von Roches zwischen Monophonem und Multiphonem changierendem Klarinettenklang aus richtiggehend hineinfliegen in Zöllners Akkordeonatemwelt, diese dann aber damit weitergeht und die Themen in Gegensatz zu Roches Ausgangspunkten setzt.

Dieser interpretatorisch anspruchsvollen Duoarbeit entgegen stehen auf dem Album dann wieder die vielen, intimen Momente, in denen die beiden Musikerinnen kleine, und oft geräuschhafte Klangminiaturen in winzige Räume stellen, die fast schon Beengtheit und Begrenzung fühlbar machen. In “I vind, vatten och vänten” von Lina Järnegard ist diese Introversion das Funktionsprinzip, das im direkt folgenden “Petrichor” von Rachel Beja dann mit mehr melodiösen Anteilen weiterentwickelt wird.

Klangrollen

In Miki Manabes “beat – time vibration” verschmelzen Zöllner und Roche die Klänge von Bassklarinette und Akkordeon, so dass Interferenzen und neue Klangsummen entstehen, immer aber im Fokus auf das musikalische Erlebnis. Die fast unendlich erscheinenden Möglchkeiten der Musikerinnen im Bereich der neuen Spieltechniken findet hier auf dem Album fast ihren Höhepunkt. Gerade gegen Ende des Stückes scheinen die Klänge von den ursprünglichen Rollen der beiden Instrumente völlig losgelöst zu sein. Um mehr über neue Spieltechniken der Klarinette zu erfahren, und um dieses Instrument damit noch besser kennenzulernen, lohnt sich übrigens ein Besuch bei Heather Roches Blog!

Zöllner-Roche Duo, Bild von Inga Geiser

Und als letztes möchte ich dann noch den Anfang des Albums erwähnen. Alessandro Perinis “Phase/Perspective” ist so ein interessanter Start ins Programm! Mit opulenten Klangkaskaden zeigen Eva Zöllner und Heather Roche hier die ausufernden, fast schon cineastisch klangmalerischen Möglichkeiten ihrer Instrumente, so dass man große Lust bekommt weiter zuzuhören. 

Nicht zuletzt um die beiden Künstlerinnen zu unterstützen, empfehle ich dringend den Erwerb dieses Albums bei Bandcamp, den Besuch ihrer Webseiten, ihre YouTube-Kanäle zu abonnieren hier und hier, und letztlich eines ihrer Konzerte zu besuchen, sobald die Krise vorüber ist.

Vorhören

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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