Einfach Klassik.

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Reena Esmail - breathe

Album-Review: Reena Esmail – breathe

Wenn ich Musik der Komponistin Reena Esmail höre, dann endet das immer damit, dass ich dasitze, mit dem Kopf auf der Tischplatte liegend, weil ich es nicht fassen kann, dass es diese Musik wirklich gibt. So besonders finde ich sie. Und es gibt sie jetzt wieder mit dem neuen Album: Reena Esmail – breathe.

Erfolg

In einem anderen Leben habe ich bereits einen Artikel für einen anderen Blog geschrieben über die junge, amerikanisch-indische Komponistin, deren Karriere senkrechter nicht verlaufen könnte. Und das ist gleich aus mehreren Gründen nicht verwunderlich. Derzeit ist sie eine der beachtetsten Komponistinnen, mit abgeschlossenen Studien an der Yale School of Music und an der Juilliard School (höchst glücklich sind all jene, die überhaupt einen der äusserst begehrten Plätze an einem dieser Colleges ergattern), Lehrtätigkeiten an eben Diesen, mit einem rasant wachsenden Werkverzeichnis, das nunmal entsteht, wenn man mit all den Aufträgen kaum hinterher kommt. 

Soviel zu den Äusserlichkeiten. Der eigentliche Grund für ihren Erfolg ist aber der magische Zauber den ihre Musik ausstrahlt, dieser Magnetismus, den sie entwickelt, wenn man zwangsläufig im Verlauf der Stücke immer gebannter zuhört. Esmails Musik zieht den Hörer in sich hinein. Das liegt vor allem an zwei Zutaten: Esmail kann und hat gelernt zu komponieren, ganz einfach. Nach einer Sozialisation in der westlichen Klassik besann sie sich aber auf ihre indische Herkunft, und begann diese Kulturkreise auf höchst spannende Weise miteinander zu verbinden. Daraus ergibt sich dann dieser ureigene Klang, für den die Musiker*innen sowohl technisch als auch interpretatorisch klar gefordert werden. 

Das Album

So ist das auch bei der neuen Veröffentlichung: Reena Esmail – breathe, mit einigen ihrer Kammermusikwerke. Die Werke, meist für Piano Trio, werden gespielt von in diesen Kreisen wohl bekannten Musiker*innen, die sich bereits ausgiebig mit Esmails Werk beschäftigt haben. Der amerikanisch-indische Geiger Vijay Gupta hat sich in seiner Karriere bereits freigespielt, oftmals mit Esmails Musik. Am Klavier hören wir Suzana Bartal, eine enge Freundin und Studienkollegin Esmails, deren Instrumentalistinnenstern ähnlich wie bei den anderen Beteiligten auch immer weiter Richtung Zenit steigt. 

Und obwohl er Cellist an der San Francisco Opera ist, ist Peter Myers vor allem als Kammermusiker bekannt geworden, unter anderem durch seinen besonders warmen Klang im Spiel, sowie seine Farbpalette. 

Die Besetzung passt also so unglaublich gut zur Persönlichkeit von Reena Esmail, dass ich es kaum erwarten konnte, dieses Album in meinen Player zu werfen. Und nein, ich wurde kein bisschen enttäuscht.


Natürlich versteht es Gupta meisterlich, Intonation und Strichstärke so zu steuern, dass die hindustanischen Einflüsse in Esmails Musik voll zur Geltung kommen. Hörbar ist das in allen Werken, aber auch gleich zu Beginn in “Saans”. Das Stück entstand aus dem zweiten Satz von Esmails Klarinettenkonzert und war das Hochzeitsgeschenk der Komponistin an ihre Freundin Bartal. Mit entsprechender Intimität spielen die drei Musiker*innen das Stück, legen ihr ganzes Gefühl in die elegischen Melodieverläufe, geben aufmerksam die Führungsstimme untereinander weiter.

Bartal legt mit Augenmaß die Akkordbrechungen im Hintergrund als Teppich, wenn sich die Streicher davor in engen Tonabständen reiben, kommt dann aber wieder in den Vordergrund, und bleibt stets präsent. Die Erzählgeschichte in diesem Stück ist an sich schon so ergreifend, dass man erstmal keine Idee hat, in welche Richtung die Interpretation das noch steigern könnte, bis man es hört. So weich legen die Streicher die Unisonomelodien, so narrativ legt Bartal die beidhändigen Klavierpassagen an. Nicht nur von seiner Geschichte her ist “Saans” ein ganz besonderes Stück.

Alte Bekannte bei Reena Esmail – breathe

Aber dann kommt “Jhula Jhule” für Klavier und Violine, vielleicht das meistgespielte Stück von Reena Esmail. Es entstand aus einer Kombination eines Volksliedes, das der nordindischen Großvater der Komponistin auf alten Aufnahmen sang, mit einem südindischen Volkslied namens “Jhula Jhule”, das ihre aus Goa stammende Mutter des Öfteren vorsang. Es gibt schon einige Versionen im Netz davon, und ich mag die klare Sprache, die auf Effektsuche komplett verzichtet, mit der Gupta und Bartal die Ausführung hier angehen. Wesen und Gefühlswelt des Stückes werden so gut erlebbar, und das Spiel der beiden Instrumente bleibt immer leicht, gibt den Tönen Luft und Platz, lässt den Hörer*innen Raum für eigene Aspekte.

Reena Esmail - breathe
Reena Esmail


Das dritte Element des Albums Reena Esmail – breathe ist ihr “Piano Trio”. Ursprünglich als Pianistin großgeworden, war das Spiel im Piano Trio immer sehr attraktiv für Esmail. So bot sich in ihrer Tätigkeit als Komponistin dieses Format natürlich an. Und auch hier ist es wieder sehr gut hörbar, wie die Komponistin die musikalischen Kulturkreise Europas und Indiens stets miteinander vereint. In allen Sätzen des Werkes findet man traditionelle Ragas, also feste Tonräume die in der hindustanischen Musik den Charakter oder die “Persönlichkeit” eines Musikstückes vorgeben.

Melodien als Glanzlichter

Mit viel dramatischer Schaffenskraft legen sich die drei Musiker*innen nun in den Vortrag, gerade im ersten Satz werden da die lauteren Passagen gerne mit dem großen Pinsel gemalt, wenn Bartal weit ausgreift, und Gupta großstrichig agiert. Im interessanten Gegensatz dazu setzen die Drei dann den zweiten Satz, wo sie fast kleinräumig, in guter Konzentration aufeinander spielen, und die einzelnen Melodien als Glanzlichter hervortreten lassen.

Mit den lebhaften Erzählungen im dritten Satz, und den eindrucksvoll erhabenen Klangformationen im letzten Abschnitt erfährt das Album eine reichhaltige und inhaltlich vielfältige Abrundung, und wird so endgültig eine Hörempfehlung für Alle und Jede!

Wenn wir uns in dieser besonderen Zeit positive Orte, Schutz und Zuflucht wünschen, im Album Reena Esmail – breathe finden wir sie!

Die Tracks

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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