Wer ist eigentlich Silke Aichhorn? Vielleicht ist das schon eine zu grundsätzliche Frage, die eine Albumrezension überfordert. Vielleicht sollte ich zunächst schreiben, dass Silke Aichhorn Harfe spielt. Und das bisher recht erfolgreich. Auf 24 Aufnahmen ist sie zu hören, ein Buch hat sie geschrieben, das jetzt auch als Hörbuch erscheint. Die ausgiebige Konzertkarriere versteht sich hier als Basis von alldem von selbst.
Aktivität
Wenn man nun weiter auf die nächste Detailebene kuckt, wenn man die Presse- und Informationstexte zu ihren Veröffentlichungen liest, ihre Aktivität in sozialen Medien beobachtet, und nicht zuletzt die Art ihrer Kontaktaufnahme betrachtet, dann kommt man an einer Beschreibung nicht mehr vorbei: sie ist umtriebig, eingerahmt in herzliche Fröhlichkeit. Diese Umtriebigkeit setzt sich deutlich fort, wenn man sich mit ihren vielen veröffentlichten Aufnahmen beschäftigt. Da jagt ein Konzept das nächste, da bleibt kaum ein Aspekt ihres Instrumentes, den sie noch nicht ausgeleuchtet hat. Diese Fülle an Herangehensweisen hätte man der Harfe gar nicht zugetraut. Ungerechterweise.
Denn das ist die landläufige Unterschätzung dieses Instrumentes, gegen die Silke Aichhorn leidenschaftlich anarbeitet. Und sie tut dies sehr geschickt, bedient ganz bewusst auch Klischees, mit “Himmlische Harfenklänge” oder “Harfenklänge für die Seele”, bietet dann aber wieder starke, thematische Alben wie “Musik aus Frankreich aus vier Jahrhunderten” oder “Musik aus Rußland und Frankreich für Harfe solo”. Mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester hat sie sieben Harfenkonzerte eingespielt, und die große Zahl an Duo- und Trio-Veröffentlichungen zeigen ihre große Kooperationsfreudigkeit.
Die heute vorliegende Veröffentlichung ist die Vierte aus der “Miniaturen”-Reihe der Harfenistin. Und schon beim ersten Kontakt mit dem Album besticht wieder ein wasserdichtes Konzept, das an sich schon beeindruckt durch so viel Zielgerichtetheit. Anstatt vor ihren 36 Corona-bedingten Konzertabsagen zu hocken, wie das Kaninchen vor der Schlange, hat sie kurzerhand all die Stücke, die sie in den letzten Monaten bewegt haben zusammengekehrt, und innerhalb weniger Wochen “Miniaturen 4” daraus produziert, inklusive Recherche und Umarrangieren. Letzteres begleitet Silke Aichhorn nunmal durch ihr Leben, denn sie gibt sich nicht zufrieden mit immer gleicher, bekannter Harfenliteratur. Sie sucht die seltenen Stücke, die noch nie aufgenommen wurden. Stücke, die eigentlich für andere Instrumente komponiert waren.
Das Album
So kann man auf “Miniaturen 4” die dreisätzige “Sonata V für Laute” von Silvius L. Weiss hören, die Aichhorn zufällig auf Youtube gehört, just für Harfe umgearbeitet, einen Halbton tiefer gesetzt und gleich eingespielt hat. Durch diesen Prozess macht sie das Werk, wie die meisten anderen Stücke auch, zu ihrem Eigenen. Und so spielt sie es auch auf dem Album, sehr persönlich, schon fast intim, aber immer auch mit den passenden Akzenten in der Vermeidung allzu genretypischen Weichzeichnens. Es mag auch an der Aufnahmetechnik liegen, aber die Harfenistin transportiert bereitwillig Anschlag- und Instrumentalgeräusche in ihrem Klang mit, so als wolle sie die Hörenden vollumfänglich an der Entstehung des Klangs teilhaben lassen. So meint man direkt neben ihrer Harfe zu sitzen und nimmt ihre Musik als eindrückliches Erlebnis wahr. Gerade in der Lautensuite ist dieser Detailreichtum besonders wertvoll, betont er doch eindrucksvoll diese feinsinnige Komposition.
Einen kräftigen Beginn für das Album wählt die Harfenistin bewusst mit dem “Walzer op. 35” von Kurt Gillmann, den sie für das Instrument bemerkenswert vordergründig gestaltet.
Wieviel Arbeit in Silke Aichhorns Aufnahmen steckt, wird an vielen Stellen des Albums deutlich, zum Beispiel im zweiten Teil von “David of the white rock”, wo sie in den Höhen die leichten, aber anstrengenden Arpeggi schwerelos in den Hintergrund stellt, während die Bässe die Melodie präsentieren. Auch im “Intermezzo in A-Dur” aus den Sechs Stücken für Klavier von Johannes Brahms hat die Harfenistin über Jahre viel Aufwand in Fingersatz und Pedalarbeit gesteckt, um die Fassung für Harfe so hörbar zu machen, und dabei gestaltet sie mit genau der spielerischen Zurückhaltung, die auch die ursprüngliche Version so interessant macht.
Wirkungsvolle Mittel
Doch bei all dem Einsatz, bei all der wohlüberlegten, tief recherchierten Auswahl scheut Silke Aichhorn auch nicht den Einsatz von einfachen und doch so wirkungsvollen Mitteln, wie zum Beispiel der irischen Volkslied “Inis Oirr” oder “Die Lerche” von Michail Glinka.
Diese klaren und treffenden Melodien spielt Aichhorn erzählend aus, und bringt mit diesen dosiert gesetzten Programmpunkten weitere Ausgewogenheit in die Gesamtauswahl, die die musikalische Bandbreite der Harfe rund und mit Blick auf Einzelheiten darstellt. Harfenmusik macht mir in meinem sonstigen Musikprogramm immer wieder in angenehmer Weise “die Ohren frei”, und nicht nur zu diesem Zweck ist Silke Aichhorns neues Album “Miniaturen 4” treffend geeignet.
Trackliste
Kurt Gillmann | Walzer op.35* |
Ludwig van Beethoven/ Charles Oberthür | Gems of German Song, op.61: Nr.1 Forth I wander – Adelaide* |
Johannes Brahms | Sechs Stücke für Klavier op.118, Nr. 2: Intermezzo A-Dur |
Gottfried Heinrich Stölzel/Johann Sebastian Bach | Bist Du bei mir, geh ich mit Freuden BWV 508* |
Silvius L. Weiss | aus der Sonata V für Laute*: Prélude -Allemande-Courante |
Volksweise | Inis Oirr |
John Thomas | David of the white rock* |
Gabriel Pierné | Impromptu Caprice op.9 |
Felix Godefroid | Venise Barcarolle* |
Elias Parish-Alvars | aus Grand Fantasia on Italian Themes, op.57: Introduction, Cadenza &Rondo |
Michail Glinka | Die Lerche* |
Ça?atay Akyol | Hittite Suite* |
John Williams | Thema aus Schindler`s Liste* |
Johann Sebastian Bach | Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit BWV106* |
2 Kommentare
Vielen Dank, Silke!