Mit zwei Sonaten für Violine und Klavier, der Sonate in Es-Dur, op. 18 von Richard Strauss und der Sonate in A-Dur von César Franck bringen die beiden jungen französischen Musiker Brieuc Vourch (Violine) und Guillaume Vincent (Klavier) ein neues Album, das seine Alleinstellungsmerkmale und Eigenheiten schnell beim ersten anhören offenbart. Sofort fiel meine Entscheidung, das Album genauer anzuhören, und ich konnte Brieuc Vourch sogar für ein Kurzinterview gewinnen.
Perfekter Partner
Die Musiker aber vor allem Vourch überraschen bei beiden Werken dieser Aufnahme mit einem eher kompromisslosen Ansatz. Guillaume Vincent schafft mit seinem besonders weichen und gleichmäßigen Anschlag vieles. Er deckt zum Beispiel die vielen, wichtigen Facetten in Strauss Musik bildhaft ab. Die versonnene Romantik in den beiläufig erzählten Melodiekaskaden im ersten Satz Allegro, na non troppo führt er locker en passant aus, immer offen eine schnell erzeugte Kaffeehausstimmung mitzunehmen. Und nie betont er die naturgemäß höhere Gewalt im Spiel der forte-Passagen über die Maßen, sondern bleibt immer salonfähig. Das hilft ihm auch, der perfekte musikalische Partner für Vourch zu sein, indem er gleichzeitig genug Platz freiräumt, aber auch mit ihm gemeinsam durch die vielen Bilder und Stimmungen in Strauss Werk zu schreiten. Und auch das gelingt den beiden Musikern vortrefflich, das leicht verrückte und den Witz in dieser Musik zu transportieren. Gerade im dritten Satz sind die vielen wechselnden Bilder sehr beweglich und wandelbar gespielt.
Brieuc Vourch mit subtiler Dynamik
Brieuc, Sie sind eng befreundet mit Guillaume Vincent, mit dem Sie das Neue Album aufgenommen haben. Welche Rolle spielte Ihre Freundschaft beim Erarbeiten der Werke?
Eine wichtige. Wir folgen bei unserer Arbeit gerne unseren Instinkten und Gefühlen, anstatt darüber zu diskutieren, was wir musikalisch tun sollten. Freunde zu sein ist eine große Hilfe, um ein hohes Maß an Effizienz zu erreichen.
Wenn wir zu viel diskutieren müssen, stimmt etwas nicht. Wir arbeiten immer in einem streng begrenzten Zeitrahmen mit bestimmten Zielen, die wir erreichen wollen. Unsere Kommentare zueinander sind immer auf die kleinste Menge an Worten und Hinweisen beschränkt. Es muss schnell und präzise sein.
Individuell denken wir gerne, dass die Dinge entweder einfach oder unmöglich sind. Es geht nur um die Methoden, die wir verwenden. Manchmal brauchen wir etwas Zeit, um die richtige zu finden, aber bisher sind wir noch auf keine unlösbaren Herausforderungen gestoßen.
Wie kam es zur Auswahl dieser beiden Werke für das Album? Sind das Stücke, die Sie und Guillaume Vincent schon länger begleiten?
Wir haben diese beiden Sonaten ausgewählt, weil sie das repräsentieren, was wir glauben, in diesem Moment in unserem künstlerischen Leben am besten bedienen zu können: technische Herausforderungen, musikalische Vitalität und endlose Leidenschaft und Energie.
Wir haben an diesen Kompositionen akribisch gearbeitet und jede Phrase mit großer Sorgfalt und handwerklichem Können behandelt. Für uns war es wichtig, so viele Farben, Texturen und Reliefs wie möglich aus diesen unglaublich tiefgründigen musikalischen Texten herauszuholen. Es hat uns auch viel Spaß gemacht, uns auf die rhythmischen Architekturen der Werke zu konzentrieren und wie wir in Kombination mit subtiler Dynamik unsere musikalische Sprache gut strukturieren konnten.
Sie haben einen sehr expressiven Ansatz in der Interpretation gewählt, spielen sehr vordergründig und verwenden auffällige Strichtechniken. Hatten Sie das der Musik geschuldet, oder ist das eher ihre eigene Persönlichkeit in der Beschäftigung mit klassischen Werken?
„Sicherheit und Schönheit sind nicht vereinbar“, schrieb der große Dirigent Nikolaus Harnoncourt. „Wenn man Schönheit sucht, muss man die Sicherheit vergessen und an den Rand der Katastrophe gehen. Das ist der Ort, an dem man Schönheit findet. Wenn ein Musiker einen Fehler macht, einen Riss, weil er alles riskiert, um das Schönste zu bekommen und scheitert, dann danke ich ihm für dieses Scheitern, denn nur mit diesem Risiko kann man Schönheit bekommen, wahre Schönheit. Wahre Schönheit gibt es gar nicht. Wenn man nach Sicherheit sucht, sollte man einen anderen Job machen.“
Die Aufnahme dieser Sonaten, von denen viele als legendäre Aufführungen in die Geschichte eingegangen sind, war eine Herausforderung für uns. Was konnten wir noch bieten?
Wir gingen bis an die Grenzen, bis an unsere Grenzen, in einer radikalen Suche nach Freiheit und Authentizität. Die Substanz des Komponisten zu extrahieren, die intensivste ursprüngliche Bedeutung jeder Harmonie herauszuarbeiten, sich den entferntesten sensiblen Dimensionen zu nähern und uns zu erlauben, die konkrete Welt zu verlassen, um in das unendliche Klanguniversum von Strauss und Franck einzudringen, war unser Ziel.
Wie so viele Solist*innen haben Sie früh begonnen mit Ihrem Instrument. Wie kam es zu der Entscheidung für die Geige?
Ganz einfach, ich liebte einfach den Klang und wollte eine spielen.
Sie haben mit der Ausbildung bei Itzhak Perlman an der Juilliard School of Music, Boris Kuschnir in Wien sowie Daniel Gaede in Nürnberg bereits hervorragende Referenzen gesammelt. Welche Wünsche haben Sie für Ihre Karriere in der nahen Zukunft?
Ich habe nie daran gedacht, eine Karriere zu machen. Für mich ist es ein Weg, den ich jeden Tag neu entdecke. Musik ist ein Handwerk, in dem ich mich wohlfühle und das mich als Kind sofort angesprochen hat. Ich trenne es nicht von meinem persönlichen Leben. Ich hoffe, dass ich den Menschen um mich herum etwas Glück und Freude bringen kann.
Aufgrund der vielen hervorragenden Künstler*innen und der vielen spannenden Konzepte ist der Klassikmarkt sehr voll und umkämpft. Wo sehen Sie Ihren Platz und welche Besonderheiten haben Sie für die Hörer*innen?
Mein Platz ist dort, wo die Leute ihn haben wollen. Ich werde nicht versuchen, jemanden zu verführen oder zu sagen, dass ich etwas Besonderes bin. Ich versuche, mein Bestes zu tun, um der Musik zu dienen, das ist alles.
Vielen Dank für dieses Interview!
Das zweite Werk des Albums ist die Sonate für Violine und Klavier in A-Dur von César Franck. Und diese Interpretation der beiden jungen Musiker ist vor allem eines: melodieverliebt. Die vielen eindrücklichen Themen gestalten Vourch und Vincent mit drängenden, fast schon eindringlich angebotenen Phrasierungen. Der Geiger ist dabei wieder mit extrovertiertem Strich und sehr elegisch singendem Vibrato am Werk, während das Piano wallend und wogend durch die Arpeggiostürme segelt.
In den stillen Passagen zaubert Brieuc Vourch anmutig betörende Glissandi und setzt vorsichtiges piano, um dann bald wieder mit explosivem Abstrich und der Verve eines großen Geigers mit Führungsstimmen viel Raum für sich zu beanspruchen. Die Mischung aus kleinem Verharren und expandierender Größe wird von beiden Musikern perfekt dargestellt wird. Und darüberhinaus ist es einfach das äusserst expressive Interpretationskonzept, das mich erst überrascht und dann begeistert hat, und das mich im wahrsten Sinne des Wortes aufhorchen ließ.