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Nicht vergessen. Ich darf nichts vergessen. Liebe Verwandte die nicht mehr da sind. Genug Zuwendung geben in stressigen Zeiten. Überhaupt self improvement. Dabei würde ich manchmal so gern. Nicht Vorgenanntes, aber im Groll doch plötzlich ganze Epochen.
Als mir ein wichtiger Arbeitskollege bei Planungsgesprächen sagte dass es auch zu fortschrittliche klassische Konzertprogramme gäbe, da wünschte ich mir wir würden alles vor der Neuen Musik einfach mal vergessen, um endlich den Weg in die Gegenwart und Zukunft gemeinsam angehen zu können.
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Trotzreaktionen sind selten richtig. Aber in diesem Fall wurde mir das mit aller Macht demonstriert. Ich hatte mich gerade wieder kuschelig eingerichtet mit Neuerem. Aarre Merikanto gab mir die Gewissheit dass es auch schon wieder eine ganze Weile viele gute Weiterentwicklungen gibt, und Oliver Knussen ließ mich Aktuelleres verehren. Ich hatte mich gerade in Merikantos zweites Violinkonzert verliebt und bekam es nicht mehr aus dem Player während ich über die Weiten von Knussens Symphonien segelte. Ich badete in Tanja Tetzlaffs Rautavaara Einspielung und flötete – Entschuldigung – klarinettete im Geiste zu Arnulf Herrmanns Monströsem Lied.
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Da fragte mich ein Freund diese strapazierte Frage nach den zehn Platten die mich am meisten beeinflusst haben im Leben. Ich wollte sie dennoch gerne beantworten und begann aufzulisten. Und plötzlich fiel sie mir wieder ein, die erste Symphonie von Jean Sibelius, zu der ich als Teenager in der Badewanne abhing, und die mich einige Male gerettet hatte wenn es nicht mehr ging. Um zu prüfen, ob sie denn der Liste würdig war legte ich sie wieder auf, und sie traf mich mit voller Wucht. Fast kullerten Tränen. Fast hatte ich diese brennende, pulsierende Schönheit vergessen gehabt.
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Aber eben nur fast.
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Und ich war froh!