Orchestergraben-Gastautor Kai Germann ist Pädagoge und war Radiomoderator von 1991 -2006 in unterschiedlichen Sendeformaten. Als begeisterter Klassik-Hörer hat er den Schwerpunkt Wiener Klassik, liebt aber Musik in all ihren Facetten. Er schreibt Film-Rezensionen und Klassik-Reviews (Konzerte, CD-Besprechungen), führt Interviews zum Thema Film, Theater, klassische Musik, und hält sich gerne in Salzburg auf.
Anlässlich des 250. Geburtstages des Meisterkomponisten beschert uns das „Beethoven-Jahr“ eine schier unübersichtliche Auswahl an musikalischen und biographischen Eindrücken, sei es in Form von Konzertveranstaltungen, Tonträgern oder digitalen Medien. Viele längst vergessene Aufnahmen werden wiederholt aufgelegt, Neueinspielungen präsentiert und Tourneen mit seiner Musik absolviert. Es ist daher nicht wirklich leicht, den Überblick zu behalten und die Spreu vom Weizen zu trennen. Und dabei läuft man Gefahr, echte Perlen zu übersehen.
Das Barockorchester
Die Neueinspielung der Klavierkonzerte Nr. 2 & Nr. 5 mit dem Freiburger Barockorchester und dem Pianisten Kristian Bezuidenhout unter der Leitung von Pablo Heras-Casado ist eine solche Perle.
Vor mehr als 30 Jahren von Freiburger Musikstudenten gegründet, hat sich das Barockorchester ganz der historischen Aufführungspraxis verschrieben und sich weit über Freiburgs Grenzen hinaus international einen Namen gemacht. Mehrfach wurde das Ensemble sowohl mit dem ECHO Klassik als auch dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet.
Die im vergangenen Jahr entstandene Aufnahme der Klavierkonzerte besticht durch eine besondere Klangästhetik und eine ebenso beeindruckende Virtuosität. Der 1979 in Südafrika geborene Pianist Kristian Bezuidenhout spielt auf einem Graf-Flügel, helltönig und klangfarbenreich. Ziel war es, die Konzerte so zu intonieren, wie sie zu Lebzeiten Beethovens möglicherweise geklungen haben könnten. Der Unterschied zu einem Steinway-Flügel ist deutlich hörbar.
Perlendes Spiel
Besonders erwähnt sei das Allegro des berühmten, Erzherzog Rudolph gewidmeten Klavierkonzert Nr. 5 „Emperor“ (entstanden 1809) welches schlank, aber dynamisch und transparent daherkommt. Das Adagio un poco mosso beeindruckt mit einem warmen, in die Tiefe gehenden Klangbild. Das choralhafte Thema ist ergreifend gespielt. Der nahtlose Übergang zum Rondo zeigt die deutliche Auseinandersetzung mit dem Werk.
Das weniger populäre, aber nicht minder interessante Klavierkonzert Nr. 2 entstand in einer Frühphase von Beethovens Schaffen, und wurde mehrfach von ihm bearbeitet. 1795 uraufgeführt, nahm Beethoven die letzte Änderung erst 1809 vor. Bezuidenhout fliegt im Allegro con brio förmlich über den Flügel. Sein perlendes Spiel wird vom Orchester gut mitgetragen und veschmilzt letztendlich im Rondo molto allegro zu einer perfekten Einheit.
Lebendiger Beethoven
Zusammenfassend betrachtet, ist die gesamte Aufnahme hervorragend balanciert und lässt dem Hörer Gelegenheit, tief in Beethovens Musikwelt einzutauchen.
Die hier vorliegende Neueinspielung ist deswegen schon ein Geheimtipp, weil sie so ganz anders klingt als viele bereits bekannte Aufnahmen, welche sich dem Musikliebhaber im Zeitalter der CD ins Gedächtnis eingeprägt haben. Was das FBO präsentiert, ist ein frischer, lebendiger und aktueller Beethoven, der nicht nur seinen Weg nach Freiburg gefunden hat, sondern ausgehend davon seine Reise in den Rest der Welt fortsetzen wird.