Das Quatuor Modigliani ist seit Jahren eines der viel beachteten Quartette in der klassischen Musik. Und doch ist es in Deutschland noch nicht so präsent, warum auch immer. Nachdem sich die Musiker am Conservatoire de Paris kennengelernt hatten, war nach einem einzigen Quartettversuch die Entscheidung für eine längerfristige Zusammenarbeit sofort gefallen. Das war vor 15 Jahren. Zum Jubiläum beschenken sich die Musiker nun mit der Aufnahme des Albums „Portraits“. Mit den Jahren hat das Quartett viele komplette Einspielungen vorgelegt. Da ist „Portraits“ richtiggehend Erholung. Vereint die Aufnahme doch jeweils nur ein Stück eines Komponisten, und errichtet so eine Porträtgallerie der klassischen Musik der dem Ensemble am Herz liegenden Komponisten. Eine schöne Metapher und auch ein Rückblick auf die Entstehung, wurde doch die Namenswahl damals in Anlehnung an den von den Musikern verehrten Maler Amedeo Modigliani getroffen.
Auch die Auswahl der Stücke zeigt die Freude des Quatuor Modigliani am Außergewöhnlichen. Da ist zum Beispiel das Bildnis Rachmaninows, das Scherzo aus dem ersten Streichquartett. Die Musiker befreien sich hier gleich von starren Interpretationskorsetten und erzählen lakonisch eine Kafeehausszene, deren transparenter Realismus verblüfft. Höre ich da gedämpftes Geschirrklappern im Hintergrund? Nein, doch nicht. Die spät gesetzten Vibrati zeichnen die Unverbindlichkeit der hier stattfinden Gespräche, die durch höher angesetzte Strichstärken glasklar gesetzten hohen Töne unterstreichen dagegen den offiziellen Charakter den solch ein Auftritt im öffentlichen Raum hat.
Und dann kommt der Puccini. Dieser Puccini. Ciaccomo Puccini, Crisantemi. Eine ungewöhnliche Auswahl für ein Streichquartett. Ich musste das zweimal hören um zu verstehen was gerade passiert. Aber dann fiel ich tief hinein in diese Interpretation. Durch diesen singenden Ton der Violinen, den wir kennen von dem von mir hochverehrten Landsmann des Quartetts, dem großen Zino Francescatti, stieg plötzlich vor meinem inneren Auge auf die sengende Hitze in und um den Ort Corleone aus dem Film „The Godfather“. Konsequent geben sich die Begleitstimmen in eine kurzzeitig ostinative Belanglosigkeit, stellen Töne mit schwachem Strich, billige Zigaretten rauchend, Schlapphut tragend in eine Ecke. Hier sind die Musiker weit außerhalb der für Streichquartette gewohnten Gestaltungszonen, dieser unbändige Gestaltungswille geht bis in den Bereich der Charakterschauspielerei.
Den Humor im Vordergrund
Mit dem Scherzo aus dem Streichquartett in A-Moll von Fritz Kreisler treffen die Musiker dann wieder eine offenbar liebgewonnene Wahl. Mit großer Freude zeichnen Sie den hintergründigen Witz dieser Komposition. Die vielschichtige und manchmal fast widersprüchliche Harmonik wird bisweilen richtig ausgewalzt. Bei den gewitzt angelegten Melodien stellen die Musiker den ihnen Generell sehr wichtigen Humor in der Musik sehr erzählend in den Vordergrund.
Barbers Adagio präsentiert sich hier konsequent, hohe Intensitäten nicht scheuend. Mit Ausdauer spielen die Musiker das aus, was diese Komposition bestimmt, die Steigerungen der Intensitäten und die Weitergabe der Melodie durch die einzelnen Instrumente. Letztlich erfüllen sie damit aber auch das Erwartbare.
Auch in der Polka von Schostakowitsch sucht das Quartett den hier zeitweise bissigen Humor. Es ist erfrischend zu sehen, welchen Beitrag das Quatuor Modigliani leisten möchte um den Humor in der klassischen Musik zu betonen. Den Ursprung des Stückes in einem Ballett – „Das goldene Zeitalter“ – meint man fast zu erahnen, so tänzerisch ist die Darbietung angelegt. Oft liegt der Fokus auf den Pizzicati und den schnellen Abschlägen, was die viele Bewegung in diesem Stück herausstreicht.
Der langsame Satz des ersten Streichquartetts von Anton Webern liegt dem Ensemble besonders am Herzen und wurde bei Konzerten schon oft gespielt. Entsprechend liebevoll intonieren die Musiker die im Gegensatz von ausgehender Romantik und später folgenden Ausdrucksweisen Weberns stehende Komposition.
Mit dem Presto aus einem frühen Mozart-Divertimento und „Plink, Plank, Plunk!“ von Leroy Anderson bringt Quatuor Modigliani seine Jubiläumseinspielung zu einem äußerst heiteren Ende.
Es bleibt jedoch festzustellen, dass in der Porträtsammlung Frauen komplett fehlen. Nicht eine Komponistin ist vertreten, schade. Aber dennoch erhält jeder, der sich für diese Veröffentlichung entscheidet eine wertvolle Sammlung außergewöhnlicher Stücke und Interpretationen.
Trackliste
1. 4 Pieces for String Quartet, Op. 81: III. Capriccio. Andante con moto 05:55
2. String Quartet No. 1: III. Scherzo 05:14
3. Crisantemi, SC. 65 06:56
4. String Quartet No. 2, Op. 26: II. Intermezzo 03:44
5. String Quartet in A Minor: II. Scherzo. Allegro vivo, con spirito 06:33
6. String Quartet, Op. 11: II. Adagio 08:49
7. 5 Minuets, D. 89: No. 3 04:23
8. String Quartet on the Theme ‚B-la-F‘: III. Serenata alla spagnola. Allegretto 02:17
9. Two pieces for String Quartet, Op. 36a: II. Polka 02:27
10. Langsamer Satz für Streichquartett 09:38
11. String Quartet in F Major, Hob.III:17: II. Andante Cantabile 04:00
12. Divertimento in F Major, K. 138/125c: III. Presto 02:02
13. Plink, Plank, Plunk! 02:30
Titelfoto © Luc Braquet