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Einfach Klassik.

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Box-Review: Oslo Philharmonic und Klaus Mäkelä – „Sibelius“

Sibelius Sinfonien. Jeder kennt sie, jeder hat sie. Es sind meistgespielte Standardwerke der klassischen Musik. Und für mich waren sie damals sogar der Wiedereinstieg in die Klassik nach einer kurzen Jugendpause. Neue Aufnahmen davon locken mich also nicht so schnell hinter dem Ofen hervor. Als ich neulich jedoch beim Besuch eines Zykluskonzertes mit Klaus Mäkelä und dem Oslo Philharmonic Orchestra erfuhr, dass Dirigent und Orchester den kompletten Zyklus auch veröffentlicht haben, da war ich dann doch interessiert. Wie ich an anderer Stelle bereits schrieb, sollte man meiner Meinung nach bei der Aufnahme solcher Gassenhauer die Möglichkeit haben, mit einem schlagkräftigen Konzept einen Unterschied zu machen, um aus der Masse bestehender Aufnahmen herauszustechen. Da war ich gespannt, wie das der vorliegenden Besetzung gelungen ist.

Sibelius

In der Tat geht Klaus Mäkelä die Sinfonien mit leicht erkennbaren, markanten Attributen an. Allen voran, das hohe Tempo. Gerade Sinfonie Nr. 1, die ich schon sehr häufig gehört habe, erscheint dadurch als sehr überraschende Interpretation. Viele kompositorische und dramaturgische Elemente, die ich über die Jahre lieb gewonnen habe, wirken bei Mäkelä und dem Oslo Philharmonic sehr ungewöhnlich, und ich hatte zunächst den Eindruck, dass sie nicht genügend ausgespielt wurden. Gleich im ersten Satz – Andante, ma non troppo – Allegro energico – wirkt der Wechsel aus den elegischen Streichermelodien, und den martialischen Bläserkaskaden fast etwas gehetzt, und die Abfolgen wirkten gar schnell. Trotzdem aber hatte ich nicht den Eindruck, dass die Melodien dadurch weniger eindringlich waren. Im Gegenteil, dann wenn Streicher und Bläser zusammen in höhere Lagen wechseln, und immer intensiver phrasieren wirken diese kleineren Teilhöhepunkte sogar noch markanter, und in den abfallenden, ruhigeren Zwischenphasen ist das höhere Tempo sowieso nicht sehr ausschlaggebend. Der Klimax im letzten Drittel des Satzes ist im Ablauf auch sehr schnell gespielt, aber auch hier ist dann die lauteste Passage wirklich wuchtig, auch wenn vorher nicht schon mit sinfonischer Schwere gewuchert wurde. Der folgende Abklang ist dann wunderbar erzählend und tänzerisch ausgeführt. Dieses zwiespältige Spannungsfeld aus Tempo und Dramaturgie zeigt sich auch im zweiten Satz, wenn die markanteren, tiefen Bläserthemen zwar mit unruhigem Grundtempo ausgeführt sind, aber meine erwartete Bandbreite der Dynamik trotzdem voll befriedigt wird.

Trifft ins Schwarze

Richtig rasant ist der dritte Satz – Scherzo.Allegro -, und plötzlich fällt mir hier auf, dass ich mir ebendiesen Satz in anderen Aufnahmen oft etwas frischer und weniger schwerfällig gewünscht hätte. Da trifft Mäkelä mit dem Oslo Philharmonic wirklich ins Schwarze.

Sinfonie Nr. 2, eine der beliebtesten im Zyklus bietet im Vortrag ein ähnliches Bild. Bekannte Melodien und Themen werden mit Verve zügig durchgespielt, und ich nehme das Werk so fast etwas komprimierter wahr. Mir fällt dabei auch ein, dass ich Podcasts üblicherweise in höherer Geschwindigkeit anhöre, um mehr Inhalt in der gleichen Zeit erleben zu können. Irgendwie erinnert mich diese Aufnahme etwas daran. Mit dem großen und entscheidenden Unterschied, dass bei der Umsetzung des Oslo Philharmonic keine Details verloren gehen, und auch wirkt der Vortrag niemals gehetzt. Nur eben schnell. Die Spannungsbögen sind trotzdem noch mit Bedacht gesetzt und der Vortrag wirkt weiterhin wuchtig. Auch in Sinfonie Nr. 2 profitieren in der Komposition lange angelegte Passagen bei Mäkelä, da sie einfach frischer wirken und dadurch einem neuen und anderen Hörverständnis zugeführt werden. Und die markanten Passagen am Ende des ersten Satzes wirken beeindruckend, sowohl von Streichern als auch von Bläsern mit Druck gespielt. Auch sehr gefreut habe ich mich über die Variabilität, die Klaus Mäkelä mit dem Oslo Philharmonic an den Tag legt. Den zweiten Satz – Tempo andante, ma rubato – bauen sie sehr langsam und bedächtig auf, um dann mit passender Schwere in die Fanfaren einzufallen, und von da an die Dynamikentwicklungen sehr malerisch und fast auch etwas cineastisch zu gestalten.

Langsam ergibt sich das Gesamtbild einer neuen, sehr frischen Interpretation dieser Sinfonien, die auch in der Ausführung der Nr. 4 ihren Ausdruck findet. Diese leicht gefürchtete Sinfonie hat ihre eigene schwere Geschichte, aber das reicht dem Oslo Philharmonic unter Klaus Mäkelä nicht aus. Statt komplett in Düsternis zu vergehen betonen die Beteiligten bewusst die sehr wohl auch vorhandenen, hoffnungsvollen Melodien, die Streicher legen mit schnellen Strichen weit ausladende und zum durchatmen animierende tonale Teppiche, und im nächsten Moment gestalten sie gestützt von majestätischer Bassbegleitung der Bläser die festlichen Zweiklangmelodien. Wie schon im Konzert schaffen es Dirigent und Orchester hier eindrucksvoll, dieser Sinfonie neue Möglichkeiten und andere Wahrnehmung zu geben.

Oslo Philharmonic mit Spielfreude

Der Moment in dieser Veröffentlichung, an dem das Konzept von Mäkelä und dem Oslo Philharmonic komplett und von vornherein hervorragend passt ist Sinfonie Nr. 5. Hier zahlt sich die agile und freudige Herangehensweise ohne wenn und aber aus, und Mäkelä lässt das Orchester frei in purer Spielfreude agieren, spielt tänzerisch an genau den richtigen Stellen, und ist dann dramatisch und schwer, wenn es notwendig ist. Im zweiten Satz – Andante Rosso, quasi allegretto – darf in den vielen Melodien und Andeutungen geschwelgt werden, und im Dritten – Allegro molto – wird das weltberühmte Schwanenthema nicht mit Fokus auf Dramatik, sondern immer mit Blick auf die Schönheit der Haupt- und Nebenmelodien gestaltet, bis das Werk dann mit den berühmten Tutti-Abschlägen einen doch eher nüchternen Abschluss findet.

Klaus Mäkelä Oslo Philharmonic, Foto © Marco Borggreve
Klaus Mäkelä, Foto © Marco Borggreve

Sinfonische Schwere ist Klaus Mäkeläs Sache nicht. Er bleibt mit dem Oslo Philharmonic lieber in Bewegung, und gibt einen ganz neuen Blick auf Sibelius großen Zyklus, der geprägt ist von Frische, Lebensfreude und dem Genuss wunderbarer Musik und Harmonik. Auch, oder gerade weil ich an einigen Stellen aus meiner Hörerfahrung heraus die eine oder andere Anpassungsschwierigkeit hatte, hat diese Aufnahme meinen Horizont entscheidend erweitert, und ich lege diese Erfahrung allen Klassikinteressierten sehr ans Herz.

Titelfoto © Marco Borggreve

Die Tracks

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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