Sergei Rachmaninoff (1873 – 1943) gilt allgemein als der letzte Vertreter der spätromantischen russischen Tradition. Seine Werke gehen emotional tief unter die Haut und lassen große Vorbilder wie Chopin und Tschaikowsky deutlich erkennen. Doch wer war der Mann hinter der Musik, dessen 2. Klavierkonzert durch David Leans Meisterwerk „Begegnung“ weltweit berühmt wurde?
Als Rachmaninoff 1917 Russland verließ und nach einem Skandinavien-Aufenthalt in die USA emigrierte, hatte er den Großteil seines kompositorischen Schaffens bereits beendet. Gefeiert wurde er in erster Linie als virtuoser Pianist und gefragter Dirigent. In einem Interview mit der Musical Times aus dem Jahre 1930 resümierte er bitter, dass ihm nur ein Land verschlossen sei, nämlich sein eigenes – Russland.
Rachmaninoff (hier übrigens in der korrekten Schreibweise) galt als äußerst zurückhaltender Mensch. Fremden gegenüber trat er zwar respektvoll, aber eher kühl und reserviert auf. Trotzdem gab er Journalisten zahlreiche Interviews und gewährte ihnen tiefe Einblicke in seine Arbeits- und Denkweise. Chronologisch geordnet entstand dadurch eine Abfolge seines Lebens und zwar ausführlicher und intensiver, als jeder Biograph es zu recherchieren vermag.
Das aktuell im Wolke-Verlag erschienene Buch „Rachmaninoff spricht“ ist eine Fundgrube an Informationen und beleuchtet Aspekte seiner beruflichen Karriere sowie seines Privatlebens als Familienmensch. Offen und frei heraus erzählt der Komponist über sein Verhältnis zur modernen Musik und dem seiner Meinung nach eher absurden Trend, jeder neuen Strömung um der Exzentrik willen oder aus Gründen der Sensationslust hinterherzujagen. Dabei erfährt der Leser auch, warum Rachmaninoff zeitgenössische Kollegen wie Strauss oder Reger überhaupt nicht schätzte und warum er im Gegenzug Wagner verehrte. Für Rachmaninoff war Modernismus eher ein Fluch. Schon damals bemerkte er auf die Frage, was er von moderner Musik halte, folgerichtig: „Ich habe keine hohe Meinung von ihr. In der Tat ist nur ein kleiner Teil, von dem was heute komponiert wird, ansprechend oder von bleibendem Wert“. Eine Aussage, die auch im 21. Jahrhundert durchaus eine Existenzberechtigung hat.
„Rachmaninoff spricht“ ist nicht nur für Musikhistoriker, Journalisten oder Fans des Komponisten interessant. Das Buch ist auch gleichzeitig als Nachschlagewerk für Laien bestens geeignet, die sich intensiver mit Musik der russischen Spätromantik befassen wollen. Klavierschüler und Musikstudenten erhalten zudem Tipps aus erster Hand, welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Pianistenkarriere gegeben sein sollten und welch hohen Stellenwert Individualität in der Musik ausmacht. „Rachmaninoff spricht“ gewährt eine Annäherung sowohl an den Komponisten und dessen Werk, als auch Einblicke über den Menschen hinter dem öffentlichen Image. Kurzes Fazit: absolut lesenswert.