Dieser Gesang berührt tief und verströmt bei seiner Eigenwilligkeit eine souveräne, sehr kontrolliert wirkende Überlegenheit. Aber bevor man weiter versucht, die Magie der Countertenorstimme des jungen Österreichers Alois Mühlbacher mit Worten zu beschreiben, sei das Hörerlebnis seiner beiden jüngsten CD-Veröffentlichungen „Nisi Dominus“ (Preiser Records) und „Urlicht“ (ARS-Produktion) empfohlen.
Alois Mühlbacher – in der Königsdisziplin zuhause
„Nisi Dominus“ ist eines der wenigen geistlichen Vokalwerke von Antonio Vivaldi. Es besticht durch vollendete melodische Linien, entführt in höhere Dimensionen von Spiritualität und entfaltet ausdrucksstarke Rhetorik. Nicht minder gilt dies für eines der berühmtesten frühen Barockwerke, Giovanni Battista Pergolesis „Stabat Mater“. Und ja: Alois Mühlbacher fühlt sich in der „Königsdisziplin“ für Countertenöre, nämlich der Alten Musik, bestens zuhause. Zusammen mit dem feinnervig in der historischen Aufführungstradition aufgehendem Ensemble Scaramouche (Ltg.: Frann Farnberger) entfaltet Mühlbachers Stimme seine einzigartige, durchaus androgyn wirkende Aura. Bestechend wirkt die von ihm realisierte Balance zwischen befreit fließender Emotionalität bei gleichzeitig höchster Kontrolliertheit von Atem und Phrasierung. Dieser Zustand höchster musikalischer Konzentration kann nicht selten zu Tränen rühren. Auf dieser Aufnahme tritt ein hochbegabter „Nachfolger“ in Mühlbachers Fußstapfen. Christian Ziemski war zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade zwölf Jahre alt und hat ebenso wie Alois Mühlbacher im Knabenchor des Sankt-Florian-Stiftes in die Welt des Gesanges hinein gefunden hat.
Dass Alois Mühlbacher heute jedes Chorknaben-Klische konterkariert, wird in vielen Aspekten seiner künstlerischen Herangehensweise deutlich, die in heutiger urbaner Lebenswelt zentriert ist. Letztlich zeugt davon auch das Musikvideo zum Vivaldi-Stück „Cum Dederit“, wo auch mal ein Skateboardfahrer vor den Graffiti-Wänden am Donaukanal vorbei saust.
Verinnerlicht, aber im Heute zentriert
In eine introvertiertere, aber nicht minder sinnliche Aura zieht es hinein, wenn Alois Mühlbacher zusammen mit Franz Farnberger – unter anderem – das „Urlicht“ aus „Des Knaben Wunderhorn“ von Gustav Mahler aufleuchten lasst. Intim und zart sind die Seelenregungen, nobel und von tiefem beseelten Textverständnis durchdrungen, schmiegt sich Mühlbachers Stimme an die Worte, die von so vielen kontroversen Seelenzuständen künden. Und das setzt sich fort in einem ausgewählten Strauss-Liederzyklus, bevor Mahlers vier Rückert-Lieder das Programm beschließen.
Romantische Verinnerlicherung, die so ganz in einem Kontrast zur heutigen lauten Lebenswert steht? Die Frage wirft der Videoclip zu Mahlers „Wo die schönen Trompeten blase“ auf, in dem Alois Mühlbacher vor einer Industriekulisse am Stadtrand von Wien dieses Kunstlieder aus dem 19. Jahrhundert singt.