Eine bemerkenswerte Premiere markiert die Ersteinspielung der weltlichen Kantaten des spätbarocken Komponisten Antonio Bononcini durch den österreichischen Countertenor Alois Mühlbacher zusammen mit der Ars Antiqua Austria, geleitet vom Barockviolinen-Spieler Gunnar Letzbor. Auch die klangliche Realisation (in der auch ein liebevolles Detail überrascht, aber dazu später), lässt aufhorchen.
Antonio Bononcini (1677-1726) ist heute gewissermaßen ein „Underdog“ im Schatten von Händel und co. – dabei lässt sein musikalischer Stil durch einen hohen Wiedererkennungswert aufhorchen. Bononcini war ein italienischer Cellist und Komponist, der aber lange in Wien lebte und es dort bis zum Kapellmeister am Hofe Kaiser Leopolds I. brachte.
Nichts als brennende Liebe
Um nichts als die brennende Liebe geht es in seinen Kantaten „per contralto con violini“ – und hier ist auf Bononcini Verlass, wenn es um berührende Emotion in der Musik geht. Die verlangende Sehnsucht und das Leiden eines Individuums, das von seiner geliebten Person getrennt ist, durchzieht wie ein roter thematischer Faden sämtliche Arien dieser Kantaten.
Man hört bei Bononcini auf Anhieb den vor Eloquenz sprühenden italienischen Stil. Auffallend sind aber auch Bononcinis Qualitäten als treffsicherer Melodiker, der schon auf den „empfindsamen Stil“ im Übergang vom Barock zur Frühklassik verweist. Bononcinis Gespür für Emotionen kann nur als phänomenal bezeichnet werden – was aber nicht minder für die hier Interpreten dieser Aufnahme gilt, wenn sich der vielgefragte Countertenor-Sänger Alois Mühlbacher der Sache annimmt zusammen mit der „Ars Antiqua Austria“ diesem hervorragenden, 1989 in Linz gegründeten „Ensemble für neue Barockmusik“. Empfindsam ist es allemal, wie Alois Mühlbacher den Liebesarien und dramatischen Rezitativen eine charismatische Präsenz im Heute verleiht. Seine elegante Countertenor-Stimme ist ein Phänomen für sich. Trotz hoher Lage kann sein Gesang auch sehr geerdet und maskulin daherkommen, was allein schon eine spannende ästhetische Gratwanderung markiert und den fein gezeichneten Stimmungswechseln in Bononcinis Kantaten zu einer reichen emotionalen Bandbreite verhilft. Mühlbacher, längst auf allen internationalen Opernbühnen mit allen Wassern der Darstellungskunst gewaschen, navigiert mit Anmut und Sensibilität durch die feingewebten Konturen jeder Arie.
Man kann davon nicht genug bekommen
Bononcinis Kompositionsstil wirkt bei alldem bemerkenswert „aufgeräumt“ – und dem werden die von Gunnar Letzbor realisierten Arrangements bestens gerecht, vor allem was die von Bononcini praktizierte prägnante Dialogform zwischen Vokalparts und Orchester-Ritournellen anbelangt. Allein das gibt diesem Album einen temperamentvollen Sog, dass man lange nicht genug davon bekommen kann – daran haben auch die hervorragend aufspielenden Instrumentalistinnen und Instrumentalisten auf Streichinstrumenten, Theorbe, Cembalo, Oboe und Barockgitarre einen gewichtigen Anteil. Im Falle von Alois Mühlbacher fragt man sich darüber hinaus, wo dieser junge Vollprofi, der im Juli seinen 29. Geburtstag feiert, neben seinen vielen Opern-Engagements und der Kuratierung eines der prominentesten europäischen Barockfestivals (seit 2024) auch noch die Muße zu derart fokussierten Produktionen wie dieser hernimmt.
Aufgenommen wurde in der Stiftskirche Sankt Florian, die einst Alois Mühlbachers künstlerische Heimat war, als er im Knabenchor des Sankt Florians Stift in die Welt des Gesangs tief eingetaucht ist. Der Raumklang dieses Ortes tut sein Übriges, um der Aufnahme eine gute Synthese aus Intimität und Luftigkeit zu geben, was wohl auch einer speziellen, puristischen Mikrofonierung zu verdanken war. Es kommt sogar noch besser: In einem kurzen Moment gegen Ende mischt sich das Läuten der Stundenglocke im Sankt Florianstift ins Musizieren hinein. Ein großes Kompliment allein dafür, dies nicht hinterher wieder rauszuschneiden!