Luiz Costa (1879-1960) zählt mit zu den berühmtesten und außergewöhnlichsten Komponisten Portugals in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Werke beschreiben in einer malerischen und bildhaft-musikalischen Sprache die Eindrücke eines poetisch veranlagten Wanderes, der sich mit einer Landkarte in der Hand auf Entdeckungsreise quer durch Wälder, Auen und Täler begibt. Seine gesammelten Eindrücke spiegeln sich in den sogenannten „Poemas do Monte“ (Berggedichte““) wider, einer Anordnung von insgesamt 12 Klavierminiaturen.
Costa beschreibt in dieser lyrisch anmutenden Komposition die ländliche Umgebung Nordportugals um 1900 herum. In „Über den Bergen“ nimmt er uns auf einen Ausflug ins Gebirge mit, dort beobachten wir „Conduzindo o rebanho“ einen Schafhirten bei der Arbeit, während wir in „Brunnengeflüster“ dem munteren Treiben rund um einen Dorfbrunnen zuschauen. Beim „Echo aus den Tälern“ beschreibt Costa die friedvolleLandschaft in den Tälern der Minho-Region und im abschließenden Teil (Kirchturmgeläut) lauschen wir andächtig dem Läuten der Glocken an einem strahlenden Sonntagmorgen.
Am meisten beeindruckt hat mich die musikalische Umsetzung des rauschenden Wassers in „abeira da fonte (Am Brunnenrand). Costa skizziert diese Raststätte seiner Wanderungen als einen Parcour der Emotionen. Artur Pereira spielt dieses wunderbare Stück technisch und interpretatorisch absolut brillant. Selbst schwierigste Passagen meistert er mit der ihm eigenen Detailverliebtheit. Das eher komplexe Werk ist eine Herausforderung für jeden Pianisten, zeugt aber auch von einer eher ungezügelten Leidenschaft des Komponisten, unterschiedliche musikalische Stilelemente experimentell miteinander zu verknüpfen. Artur Pereira arbeitet den lyrischen Kontext dieser musikalischen Dichtung mit Liebe zum Detail heraus. Sein untrügliches Gespür für Klangfarben lässt die „Berggedichte“ wie ein poetisches Bilderbuch erscheinen. Costa war übrigens von rauschendem Wasser fasziniert. Diese Thematik bestimmt einen Großteil seines musikalischen Schaffens und ist auch zentraler Bestandteil der Klavierminiatur „luar nos acudes“ (Mondlicht über den Wasserwehren), von Pereira virtuos umgesetzt.
Artur Pereira mit Chronologie
Die meisten der hier vorliegenden „Berggedichte“ wurden nie zuvor auf Tonträgern eingespielt und feiern somit Premiere auf CD. Die von Artur Pereira bearbeiteten Manuskripte sind anhand von Tempo, Lyrik und Tonalität in eine chronologische Reihenfolge gebracht worden. Somit ergibt sich ein schlüssiges Bild in Form einer musikalischen Reiseroute.
Bei der Besprechung des letzten Albums von Artur Pereira (Beethoven und Costa) hatte ich mir gewünscht, mehr Kompositionen von Costa zu hören. Dieser Wunsch ist nun mit der Komplettierung der „Poemas do Monte“ in Erfüllung gegangen. Wer sich näher mit der musikalischen Vita von Artur Pereira befassen möchte, dem sei ein Blick auf die Homepage des Künstlers empfohlen.
Titelfoto © Salvatore Plano