Anton Bruckner war dafür bekannt seine Sinfonien, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, in unterschiedlichen Fassungen vorzulegen. Noch heute streiten sich die Historiker darüber, welche Motivation da wohl hintersteckte. War er vielleicht so wankelmütig, dem Druck seiner Kritiker auf Veränderungen hin nachzugeben, oder war die Anpassung an den jeweiligen Zeitgeschmack und somit die Veränderung des Kompositionsstils der Auslöser? Wie so oft dürfte die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen. Sein Zitat „Die wollen, dass ich anders schreibe. Ich könnt ́s ja auch, aber ich darf nicht“ ist jedenfalls denkwürdig.
Exzellent aufgespielt
Bruckner selbst gab seiner 4. Sinfonie den Beinamen „Romantische“. Die erste Fassung entstand 1874 und genau diese Partitur hat sich Francois-Xavier Roth, künstlerischer Leiter des Gürzenich Orchester Köln für seine Neuaufnahme herangezogen.
Bruckner war ein großer Verehrer der Musik von Richard Wagner und der ich will es mal „lohengrinische Einfluss“ nennen, ist unüberhörbar. Das Hörnermotiv des allegro zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Sinfonie und verleiht ihr dadurch einen hohen Wiederkennungswert. Roth erzeugt mit dem Gürzenich Orchester schon direkt zu Beginn die richtige Stimmung und zelebriert die Sinfonie einerseits opulent in den tutti und gleichzeitig mit einer versierten Detailverliebtheit in der gesamten Architektur. Sein tiefgreifendes Verständnis für Bruckners Werk beschert dem Hörer ein nahezu traumatisch klingendes andante. Das scherzo (hier in der ursprünglichen Fassung) ist lebhaft, kraftvoll und spannend bis zum letzten Ton. Das exzellent aufspielende Gürzenich Orchester entfaltet im allegro moderato seine ganze Virtuosität und einen enormen Einfallsreichtum.
Aufgenommen in der Kölner Philharmonie, erweist sich diese Neueinspielung nicht nur deskriptiv sondern auch klanglich als wahre Offenbarung. Das Gürzenich Orchester verfügt seit seiner Gründung 1827 über eine fast zweihundertjährige Tradition und scheint für Bruckner- Kompositionen wie geschaffen. 2015 übernahm Francois-Xavier Roth die Leitung dieses erstklassigen Klangkörpers. Mit der Neuaufnahme von Bruckners 4. ist ihm jedenfalls eine atmosphärisch dichte und interpretatorisch überzeugende Einspielung gelungen. Bis zum 200. Geburtstag Anton Bruckners im kommenden Jahr ist geplant, alle Sinfonien des aus Ansfelden stammenden Komponisten in neuem Gewand zu präsentieren.
Gürzenich Orchester bringt Bereicherung
Die „Romantische“ ist neben der 7. die schönste und gleichzeitig zugänglichste Sinfonie aus der Schmiede des Österreichers. Es gibt auch hier unzählige Aufnahmen dieses Meisterwerks aber tatsächlich nur wenige wirklich herausragende, wie zum Beispiel die von Günter Wand und den Berliner Philharmonikern aus dem Jahre 1997. Daher stellt das neue Album des Gürzenich Orchesters tatsächlich eine Bereicherung unter allen Veröffentlichungen dar und somit eine der besten Möglichkeiten, tief in die Musik von Bruckner einzutauchen.