Die italienische Gitarristin Carlotta Dalia steht noch eher am Beginn ihrer Karriere, hat aber nach frühem Start und bester Ausbildung mit eindrucksvollen Konzerten und CD-Veröffentlichungen einiges erreicht. Ihr Spiel gilt als klar und luftig.
Für ihre neue CD „Segovia“ bekam sie die Möglichkeit, eine Hauser‑Gitarre von 1939 zu spielen, deren Leihgabe von der Initiative „Adopt a Musician“ ermöglicht, und von MusicMasterpieces SA – Lugano (CH) unterstützt wurde. Hermann Hauser hatte sie für den spanischen Gitarristen Andrés Segovia gebaut.

Bei den ausgewählten Werken für die CD bestätigt Dalia für mich die gängige Pressemeinung über sie vollständig. Sie spielt mit glasklarem Ton, expressiv akzentuiert – an manchen Stellen möchte ich es makellos nennen. Eine auffällige Besonderheit sind die bisweilen sehr präsenten Atemgeräusche Dalias, die aber vielleicht auch durch die Aufnahmetechnik betont wurden. Jedenfalls fallen diese gleich beim ersten Stück „Tonadilla in the Name of Andrés Segovia“ von Castelnuovo‑Tedesco auf, das ansonsten mit verhaltener Dynamik und Agogik sehr einfühlsam gespielt ist. Die sehr erzählenden Arpeggi fasst Carlotta Dalia in einen spielerischen Rahmen und gibt ihnen so Kontext.
Carlotta Dalia mit Leichtigkeit und Balance
Ein sehr schöner Moment auf dem Album ist die „Sonatina“ von Federico Moreno Torroba, die unbekümmert und beschwingt daherkommt. Die Gitarristin erzeugt Leichtigkeit – selbst in den nachdenklichen Passagen trägt diese Musik nicht auf. Gerade das „Andante“ schafft eine interessante Balance aus Langsamkeit und Positivismus, man wähnt sich fast im Urlaub an einem Spätsommerabend.
Die Stücke von Andrés Segovia stellt Carlotta Dalia ins Zentrum des Albums, ohne die anderen Werke herabzustufen. Sie stehen eher für sich selbst und fallen durch den Wechsel aus widersprüchlichen und harmonischen Elementen auf. Das arbeitet die Gitarristin mit Bedacht heraus, ohne dabei ihre Linie des insgesamt harmonischen und beruhigenden Vortrags zu verlassen. Die „5 Anecdotas“ wirken eher still, auch in den Allegretto‑Teilen. Vielleicht liegt das daran, dass Dalia die leisen Akkorde eher stark absinken lässt.
Akkurat, agil, erzählend
Interessantes Arbeiten mit unterschiedlichen Formantstrukturen ihres Instruments zeigt die Gitarristin dann noch in Segovias „Fandango della Madrugata“. Die vielen Dynamikspitzen führt sie mit viel Ausdruck aus und bleibt dabei trotzdem immer im Bereich des Erwartbaren.

Viele Verzierungen des – extra für die Gitarristin geschriebenen – Stücks „Re‑Birds da un frammento di J. P. Rameau“ des italienischen Komponisten, Dirigenten und Cellisten Enrico Melozzi führt Dalia sehr akkurat, agil und erzählend aus. Damit legt sie wirklich Herz in diese Darbietung.
Alle, die perfekt ausgeführte und ausgewählte Gitarrenmusik mögen, die zudem auf einem sehr besonderen Instrument gespielt wurde, sind bei „Segovia“ von Carlotta Dalia goldrichtig.
Titelfoto © Andrej Grilc