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Einfach Klassik.

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CD-Review: Carolin Danner – En Suspens In der Schwebe

Die CD „En Suspens In der Schwebe“ ist nicht brandneu. Dennoch möchte ich sie vorstellen. Warum so spät? Nun, manchmal nehmen Entwicklungen verschlungene Wege. Das wissen wir alle, und so tat es auch dieses Album auf dem Weg zu mir. Denn anstatt sich in die Herde an Reviewexemplaren einzureihen, die ich wöchentlich geschickt bekomme, zog es die CD der Pianistin Carolin Danner vor, sich von einem Freund meines Vater bei einem Rehaaufenthalt, bei dem die Pianistin konzertierte, kaufen, und sich über meinen Vater zu mir bewegen zu lassen. Etwas seltsam. Mein zögerliches reinhören würde dann aber jäh in Begeisterung umgewandelt, was im Anbetracht meiner durch ständiges Testhören leicht gedämpften Begeisterungsfähigkeit aller Ehren Wert ist.

Carolin Danner und die Ungewissheiten

Carolin Danner ist eine Pianistin aus München, die bereits auf Erfahrung in der Kammermusik und im solistischen Bereich zurückblicken kann. Mehrere Lehraufträge erweitern ihr Spektrum zusätzlich. Doch auch sie wurde, wie wir alle, von den gesellschaftlichen und politischen Ereignissen der letzten Jahre ergriffen, und hat als Reaktion darauf und persönliche Verarbeitung Klaviermusik zusammengestellt, die all die Unsicherheiten und Ungewissheiten dieser Zeit abbilden. Dabei ist dann ein sehr gemischtes Programm entstanden mit Werken von Bartok, Ligeti, Brahms, Mozart, Debussy und Chopin, und soger eine Ersteinspielung des Stückes „Sonnenstrahl“ der rumänischen Komponistin Violeta Dinescu. Es hat fast etwas von stillem Protest, dass die einzige Komponistin mit einer Ersteinspielung vertreten ist, daraus ergibt sich dann eine doppelte Alleinstellung, es bildet aber leider einmal mehr die komponistische Geschlechterverteilung auf den Alben ab, die auf meinem Tisch landen.

Alle gewählten Stücke verkörpern für Carolin Danner also das Thema „Schwebezustand“, entweder musikalisch/thematisch wie Chopins Nocturnes, oder Bartoks „Suite für Piano“ Op. 14, oder biographisch bei Brahms 4 Klavierstücken, Op. 119. Die Verbindung zwischen Allem schafft aber tatsächlich der Stil der Pianistin, der unter der Überschrift: “Kontrolle” steht. Danner spielt auch schwierigste Passagen nicht mit hörbarem Risiko, sondern immer über den Dingen stehend. Dabei geht sie aber durchaus entschlossen zu Werke. Besonders deutlich wird das bei Bartoks Suite, in der die Solistin auch technisch hoch Anspruchsvolles trotzdem aus sich heraus gestaltet und damit Herrin des Vortrags bleibt. 

Größerer Kontext

Carolin Danners planvolles Vorgehen steht aber keineswegs der Musikalität im Weg. Im Gegenteil! Sie schafft es damit zum Beispiel in Brahms Klavierstücken eine Entwicklung aufzuzeigen, wobei sie in den einzelnen Momenten und Sätzen des Werkes immer emotional auf den Punkt interpretiert, und die für das vorgeschriebene Tempo passenden Klangräume öffnet. Sie zeigt eindrucksvoll, wie sie auch mehrsätzige Werke in größerem Kontext darstellen kann, und thematische Evolutionen begleitet und sichtbar macht. Indem sie mit pointierter Anschlagtechnik den Vortrag aus dem Schwebezustand heraus in immer konkretere und reale Freudenbilder führt, zeigt Carolin Danner gerade hier dann doch einen Weg der Hoffnung auf. Ein gutes Beispiel dafür, wie Musik aus einer ganz anderen Zeit und Epoche auf aktuelle Stimmungswelten transferiert werden kann, und den persönlichen Umgang mit aktuellen Geschehnissen beeinflusst.

Carolin Danner, Foto © Nelly Küfner
Carolin Danner, Foto © Nelly Küfner

Dinescus „Sonnenstrahl“ belässt die Pianistin dann aber wieder in emotionalen Zwischenwelten, die mehr Fragen zu stellen scheinen, als Antwortmöglichkeiten zu offerieren. Mir fällt besonders auf wie musikalisch und klangmalerisch Carolin Danner hier einfachste Melodiebögen formt und damit Musik ganz nah und unmittelbar stattfinden lässt. Diesen engen Kontakt zur Klaviatur behält die Pianistin dann auch am Ende des Albums in Mozarts Fantasie in c-moll, KV475 und in „L’isle joyeuse“ und „D’un Cahier d’Esquisses“ von Claude Debussy bei, und gönnt sich sowie den Hörer*innen dadurch erfrischende Bewegungsagilität, womit das Album dann einen sehr romantischen Ausgang findet.

Solo-Piano CDs virtuoser Solis*innen mit großen Namen gibt es haufenweise, warum also dann noch „En Suspens In der Schwebe“ erwerben? Ganz einfach, wegen der technisch hohen Qualität von Caroline Danners Spiel, und wegen ihrer mitreissenden Expressivität. An einigen Stellen bilde ich mir sogar ein, ihren Vortrag aus verschiedenen Versionen mehrerer Pianist*innen erkennen zu können, und das bedeutet schon etwas. Vielleicht hätte ich mich damit ja bei „Wetten Dass“ bewerben können.

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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