Einfach Klassik.

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CD-Review: Dominik Wagner & Lauma Skride – Chapters

Ein Album für Kontrabass als Soloinstrument ist eine willkommene Abwechslung, und ich als Elektrobassist bin sowieso für die tiefen Töne zu haben. Der Kontrabassist Dominik Wagner hat für das Album „CHAPTERS – A Double Bass Story“ Stücke ausgewählt, die das Instrument aus dem Schatten der Orchesterrolle holen, und es so in einer eher unbekannten Weise zu würdigen, nämlich als Melodieinstrument. Und wenn man Kontrabass spielt, dann muss man ab und zu Werke anpassen und umschreiben. Das scheint Wagner aber schon gewohnt zu sein, und er kann sich dabei ganz auf die Albumdramaturgie konzentrieren. Zu Hilfe kommt ihm hier in der Duobesetzung die Pianistin Lauma Skride, die sich bereits einen Namen gemacht, sich mit Solo-Aufnahmen jedoch eher wenig in den Vordergrund gespielt hat. Und über sie wird in diesem Artikel noch zu reden sein.

Dominik Wagner mit Interpretationskraft

Zunächst jedoch kann man betrachten, dass der Bassist hier Musik von 14 unterschiedlichen Komponist*innen zusammengestellt die Material für sein Instrument hergeben. Allerdings waren die Auswahlkriterien schon noch etwas komplexer, denn mit unter anderen Boulanger, Ritter, Vasks, Rachmaninov, Schubert, Ravel und Debussy kommen hier viele sehr unterschiedliche Persönlichkeiten zusammen. Dominik Wagner verwertet dabei natürlich auch die eine oder andere bekannte Melodie, und das sei ihm auch gegönnt. Für mich machen diese jedoch nicht die Stärke des Albums aus, sie beweisen eigentlich eher, dass man diese erkennbaren Stücke auch auf dem Kontrabass spielen kann, auch wenn zugegebenermaßen die Kraft guter Melodien natürlich auch auf dem Kontrabass wirkt und ihre Berechtigung hat. Dennoch finde ich dass Wagner gerade bei den nicht ganz so prominenten Stücken besondere Interpretationskraft entwickelt.

Dominik Wagner, Foto © Maria Frodl
Dominik Wagner, Foto © Maria Frodl

Zum Beispiel in “Cantabile” von Peteris Vasks wo er seinem Instrument erfolgreich Sangeskunst unterstellt, und wirklich in ähnlicher Manier zu artikulieren versteht. Mit einer eindringlichen Mischung aus Dynamiksteuerung und Vibratokontrolle durchschreitet der Bassist die Lagen seines Instrumentes wie ein Wanderer auf langer Reise. 

In der “Elegie” von Gabriel Fauré geht Dominik Wagner voll aufs Ensemblespiel, schreitet mit der Pianistin im langsamen Gleichschritt, steigert mit ihr die Lautstärke in luftige Höhen, um dann im nächsten Moment mit leichtem aber trotzdem etwas klebrigem Strich leise zu schleichen. Im Verlauf dieses Stückes bekommt dann das Piano einige Solostellen, wobei Skride den für mich großen Reiz dieses Albums zeigt. 

Aber diese angenehme, gleichmütige Ruhe kommt an vielen Stellen der CD zum Tragen, wenn in Claude Debussys “Beau Soir” romantisch schwere Abendstimmung umherzieht, oder wenn in Franz Schuberts “Du bist die Ruh” Andacht herrscht, die beide Musiker*innen mit getragener Geduld und wieder etwas Gleichmut diese starken musikalischen Themen erzählt werden. 

Der Klang

Ein wenig gewöhnungsbedürftig war für mich der Klang des Kontrabasses auf der CD. Hohe Frequenzen ermöglichen Ortbarkeit und Lokalisierbarkeit im Instrumentenverbund. Diese sollten bei der Produktion wohl besonders hervorgehoben werden, um das tieffrequente Orchesterinstrument möglichst gut zu präsentieren. Generell ist das auch eine gute und richtige Idee, jedoch fällt mir die Betonung hier fast etwas stark aus, so dass sie den mir bekannten Klang des Kontrabasses eher verfremdet.

Dies ändert aber nichts an der Tatsache dass Dominik Wagner ein schlüssiges, unterhaltsames und gekonnt umgesetztes Album produziert hat, das einfach Hörfreude bereitet.

Lauma Skride, Foto © Marco Borggreve
Lauma Skride, Foto © Marco Borggreve

Und hier wäre die Rezension eigentlich beendet, aber im Fall von “Chapters” kann ich noch nicht aufhören. Es gibt einen Faktor bei diesem Album, der mich schier umgehauen hat, und er heisst Lauma Skride. Klavierbegleitung eines Soloinstrumentes ist anspruchsvoll und will gekonnt werden, und im besten Fall fällt sie dann im Gesamtwerk nicht mehr auf, sondern dient der Solostimme. Skride macht hier aber so viel mehr als das, und füllt dabei trotzdem die Begleiterinnenrolle perfekt aus, dass ich es manchmal nicht glauben konnte. Sie interpretiert mit so viel Persönlichkeit, zeigt eigenen Charakter, steuert Intensität, Prominenz und Linienführung ihres Spiels mit unglaublich viel Kunstfertigkeit und scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Denn sogar in den Jazz-Passagen besticht sie mit dem typischen, in der Agogik leicht versonnenen Anschlag.

Zusätzlich zu Konzept, Werkauswahl und Ausführung im Bassspiel bekommen wir hier also die Kunstfertigkeit einer beeindruckenden Pianistin, die man in dieser Konsequenz nicht auf solch einem Album erwartet.

Titelfoto © Maria Frodl

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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