Vielfalt. Sie ist leider nicht immer selbstverständlich und auch außerhalb von Kunst und Musik derzeit ein großes Thema. Umso begrüßenswerter finde ich es, wenn sie beschützt, gelebt und vorangetrieben wird.
Genau dafür haben sich die Duo-Partnerinnen Eva Zalenga (Sopran) und Doriana Tchakarova (Klavier) auf ihrem neuen kammermusikalischen Album entschieden, das sie leicht auch monothematisch hätten planen können.
Ganz bewusst ist „Varia • Bel“ als Sammlung verschiedenster Lieder aus drei Jahrhunderten nicht nur ein Duo-, sondern ein Kammermusikalbum, da Stimme und Piano noch von Klarinette, Violine und Cello ergänzt werden.
Die Sopranistin Eva Zalenga hat mittlerweile mehrere angesehene Preise gewonnen, darunter den Deutschen Musikwettbewerb, in dessen Folge „Varia • Bel“ als Preisträger-CD produziert wurde.
Um das gleich vorauszuschicken: Die Darstellung der genreübergreifenden Vielseitigkeit gelingt nicht nur mühelos, sie hat hohen Unterhaltungswert. Und als das begreift Eva Zalenga ihr Ziel mit dieser Aufnahme wohl auch. Sie möchte unterhalten und ist im dazu notwendigen Handwerkszeug mittlerweile äußerst beschlagen. Alle Gesangstechnik sowieso voraussetzend, sind es überdies die gestalterischen Fähigkeiten der Sopranistin, die auf „Varia • Bel“ überzeugen. In verschiedensten Liedgattungen hört man förmlich ihr Schauspiel, während sie singt, die Arbeit der Mimik. Dadurch habe ich beim Hören der CD den Eindruck, direkt dabei zu sein, am Rand der Bühne der Aufführung beizuwohnen. Eine ganz unmittelbare Erfahrung für mich als Hörer.
Sehr deutlich wird das – überraschenderweise – in den „Irish Country Songs“ von Rebecca Clarke. Nicht unbedingt das erste Beispiel, das ich mir als Klassikfan aussuchen würde, sind die drei Lieder doch mit so viel gefühlvoller Stimmung, interessantem Fokus auf die Dur-Moll-Wechsel und dann auch mit meisterhafter Tonformung Eva Zalengas ausgeführt, dass ich richtig in die Musik hineingezogen werde. Zusammen mit der Geigerin Victoria Wong bietet die Sopranistin eine ihrer Verwurzelung in der Klassik und dem Album-Kontext geschuldete, sehr saubere Version dieser Songs, wodurch sie aber gut in Zusammenhang mit dem restlichen Programm gesetzt werden.
Überraschenderweise folgen „Two Nursery Rhymes“ von Arthur Bliss direkt im Anschluss, wodurch die Genres in Blöcke gefasst werden. Diesmal zusammen mit Klavier und Klarinette singt Eva Zalenga noch ein wenig raumgreifender und tritt in eine wunderbare Zwiesprache mit Adam Ambarzumjan an der Klarinette, der hier ein weiteres Mal mit seinem Instrument wirklich begeistern kann. Verschiedenste Spieltechniken beeindruckend meisternd, vom weichen Ansatz gar nicht zu sprechen, versteht es der Klarinettist ganz besonders, sich im Ensembleverbund mit Witz und Einfühlungsvermögen zu positionieren, immer auf den Punkt passend.
Ein aufregender Moment des Dialogs ergibt sich einmal mehr zwischen Wong und Zalenga in den „Quatre Poèmes de Catulle, op. 80“ von Darius Milhaud. Im ähnlichen Frequenzbereich agierend, umspielen sich beide Stimmen sehr reizvoll, und die Musikerinnen gehen dabei erfreulicherweise ein gewisses Risiko ein, indem sie nicht immer nur einander Raum geben und wechselweise zurücktreten, sondern mutig und manchmal sogar forsch auch gleichzeitig vordergründig phrasieren.

Ein ganz besonderer Titel im Programm ist tatsächlich „Je t’aime“. Die bemerkenswerte Komposition der Französin Isabelle Aboulker, mit der die Musiker*innen für die Aufnahme in Austausch waren, wurde für das Ensemble von Franck Villard angepasst. Und das ist begeisternd gut gelungen. Sehr launig können die vier das Stück mit viel Musizierfreude darbieten.
Nicht zuletzt möchte ich aber noch hinzufügen, dass Eva Zalenga bei aller Mischung der Stile auf „Varia • Bel“ auch in den beiden Schubert-Liedern zu begeistern weiß. Selbstverständlich könnte man das finden, aufgrund ihres mit viel Erfahrung besetzten Hintergrunds als Opern- und Liedsängerin, aber wenn man dann „Auf dem Strom, D. 943“ und „Der Hirt auf dem Felsen, D. 965“ im Moment hört, dann sind Zalengas Stimmkörper und Tongestaltung einfach beeindruckend und mitreißend. Und einmal mehr erfreut uns da wieder die langjährige Klavierpartnerin der Sopranistin, Doriana Tchakarova, mit ihrer großen Erfahrung und Meisterschaft in der Liedbegleitung.
„Varia • Bel“ ist zunächst ein äußerst interessantes Projekt, dann aber auch ein konsequent umgesetztes, geschickt balanciertes Albumkonzept. Aber in erster Linie ist es großer Hörgenuss auf höchstem musikantischen Niveau.