Auf ihrem neuen Album „La Femme“ wird die Mezzosopranistin Flaka Goranci auch mal zur Sprechenden, wenn sie im Stück „The Speech of Love“ ein Manifest für eine neue, bessere Welt formuliert. „Let`s have a better way and start the good things again“. Dieser Satz entfaltet gerade zu Beginn eines neuen Jahres in krisengebeutelter Zeit viel Kraft.
Für Flaka Goranci, eine universelle Künstlerin, die aus Kosovo-Albanien stammt, in Tel Aviv studierte und heute in Wien lebt, sind dies keine leeren Worte. Die programmatische Idee ihrer CD „La Femme“ kreist um die gesellschaftliche Wirklichkeit von Komponistinnen, Künstlerinnen und sonstigen weiblichen Menschen, die vor allem aufgrund ihres Geschlechts repressiven Bedigungen ausgesetzt sind. In diesem Sinne beauftragte sie Komponistinnen vor allem aus dem südosteuropäischen und vorderasiatischen Raum, etwa Suad Bushnaq aus Jordanien, die prominente Iranerin Niloufar Nourbabakhsh, die wiederum die iranische Composer Association gründete, die Kroatin Dora Pejadevic, die Israelin Ella Milch-Sheriff oder Albena Petrovic, die aus Bulgarien stammt, heute in Luxemburg lebt und sich ebenfalls für weibliche Lebensaspekte engagiert. Ebenso tief reicht der Blick in 13 Jahrhunderte Musikgeschichte, wenn verstorbene Komponistinnen aus zahllosen Epochen hinzu kommen, etwa Ilse Weber, die in Auschwitz ermordet wurde oder die byzantinische Äbtissin Kassia, die als früheste bekannte Komponistin des Abendlandes gilt.
Bei aller überbordenden Vielschichtigkeit auf diesem Album läuft die Botschaft in den Liedtexten und ebenso in den Kompositionen auf einen verbindenden gemeinsamen Nenner hinaus: Es geht um Schönheit und Liebe als starke, weiche Kraft gegen eine feindliche (gesellschaftliche) Wirklichkeit. Noch mehr um eine tiefe Traurigkeit, die aus dieser Konfrontation immer wieder folgt. Verluste eines geliebten Menschen aufrund sinnloser Schicksale, Abschied, Verlassensein. Aber auch Hoffnung, Sehnsucht, Spiritualität.
Wie sich all dies hier anhört, kann als sensationell betitelt werden. Das Projekt muss eine starke Sogkraft bei allen Beteiligten entfaltet haben. Über allem steht Flaka Gorancis Mezzosopran, der sich würdevoll und elegant ausbreitet, in tiefschürfende, manchmal überirdische Zustände hinein zieht und dabei immer neue Verbindungen mit den faszinierend ausdifferenzierten Instrumentalklängen des World Chamber Orchestras eingeht. Denn auch die Spielerinnen und Spieler aus zahlreichen Nationen unter Konstantinous Deminakis Leitung laufen zur Höchstform auf. Oft kommen ausgewählte einzelne Instrumente Flaka Gorancis Gesang umso näher, etwa die Pianistin Donka Angatschewa, der formidable Geiger Maximilian Bratt oder auch raffiniert arrangierte orientalische Perkussion oder ein Syntheziser.
Man kann hier nur einige große Momente beispielhaft aufzählen, noch zahlose mehr davon offenbart „La Femme“: Ein Stück der syrischen Komponistun Dima Orsho ist den vergessenen Menschen an den Ufern des Euphrat gewidmet und zieht mit seinen immer tiefer absteigenden Tonfolgen in einen melancholischen Sog hinein. Es geht um zahllose Menschen, für die sich scheinbar niemand interessiert, wo sinnlose Weltkonflikte in erster Linie an den Eitelkeiten der Mächtigen hängen. In der zweiten Strophe wird Flaka Gorancis Gesangslinie von Dima Orshos arabischem Gesang übernommen, während die arabische Rahmentrommel im Hintergrund den unauslöschlichen Lebenspuls gibt.
Um Verlust und Sehnsucht geht es in einem ukrainischen Volkslied, dargeboten von Zoryana Kushpler, die auch Mezzosopran singt. Das Stück „The Window“ der iranischen Komponistin Niloufar Norbakhsh verleiht jenen mutigen Frauen eine starke Stimme, die endlich gegen das Unterdrücker-Regime im Iran aufbegehren, was schon nicht wenigen das Leben gekostet hat. Im dazugehörigen Video schneidet sich Flaka Goranci eine Haarsträhne ab als solidarisches Erkennungszeichen einer wachsenden Bewegung, die sich dagegen wehrt, als Frau als Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden.
Auch zwei große Welthits verleibt Flaka Goranci souverän ihrer eigenen Mission ein – und das rührt im Falle des lateinamerikanischen „Bésame Mucho“ schließlich zu Tränen, weil sich bis hier schon so viel mächtige Emotion aufgestaut hat. Dieses Kultstück ist eine Hymne für alle Liebenden, die – zum Beispiel durch Krieg – unfreiwillig voneinander getrennt werden. Kreiiert wurde es von Consuelo Velázquez, die wiederu nur deswegen so viel Erfolg mit ihren Werken hatte, weil die den größten Teil des Lebens unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichte.
Flaka Goranci ganz cool
So cool wie Flaka Goranci im letzten Stück „Pata Pata“ hat dieser Planet wohl selten eine Opernsängerin phrasieren gehört. Auch diese Nummer der großen „Mama Africa“ Miriam Makeba wurde wohl kaum wegen seines jahrelangen Erfolges den Weltmusik-Charts ins Programm genommen. Der Tanz „Pata Pata“ kam in den illegalen Musikklubs in den Townships von Johannesburg Mitte der 1950er Jahre auf – als Verkörperung eines freien Lebensgefühles, auf dessen Nährboden der Widerstand gegen das Apartheidsregime wachsen konnte.
Dieses starke Album braucht Zeit für Erkundung, was sich unbedingt lohnt. Ebenso, wie wohl keine Lebensspanne ausreicht, die Vielfalt von Kulturen zu ergründen und jede neue Erfahrung zu nutzen, um empfindsamer zu werden…