Mozarts Symphonien sind in dieser Gattung eher kurze Werke. Da kann man schon mal fünf Stück auf einer CD kombinieren. Eine Gesamteinspielung aller Symphonien ist dann allerdings wieder ein längeres Projekt. Dem haben sich der Dirigent Johannes Klumpp und das Folkwang Kammerorchester Essen verschrieben.
Hier liegt der vierte Teil der Gesamteinspielung vor, auf dem mit den Nummern 4, 5, 6, 10 und 12 Symphonien aus der Früh- und der stilbildenden Phase Mozarts versammelt sind.
Nun sind alle diese Werke bereits unzählig oft aufgenommen worden – wieso dann noch ein weiteres Mal? Bei der vorliegenden Einspielung bekomme ich zum einen den Eindruck, dass es den Beteiligten um den künstlerischen Prozess und die Lust am Gestalten geht. Zum anderen aber klappt hier so einiges mit Leichtigkeit gut, was manch andere Aufnahmen vermissen lassen, und das zeigt den simplen anderen Grund: pure Spielfreude.
Folkwang Kammerorchester Essen feingliedrig
Dirigent und Orchester entscheiden sich nicht für einen vordergründigen, aggressiven Mozart-Sound, sondern bevorzugen das feingliedrige, an manchen Stellen eher zarte Spiel. Dies bezieht sich jedoch nur auf Dynamiken und Strichstärken, nicht aber auf Tempi. Denn in diesem Feld ist das Ensemble eher flott unterwegs, was ich nicht nur begrüße, sondern sogar für richtig und geboten halte.
Ein kluger Mensch hat einmal sinngemäß gesagt: Ob Dur, ob moll, Mozart ist immer eins – tanzbar. Es ist Tanzmusik. Und so sollten Tempoanweisungen auch umgesetzt werden. Klumpp und sein Orchester gehen da ziemlich aufs Ganze, geben ordentlich Gas, was aber zusammen mit dem oben beschriebenen feinen Dynamikspiel eben nicht zu Effekthascherei führt, sondern den großen Komponisten so darstellt, wie man ihn in seinem Stereotyp vielleicht zurecht etabliert hat: mit Witz, mit Tempo, draufgängerisch. Die Musiker*innen werfen sich mit Lust in die Musik, ohne jedoch Abstriche bei Akkuratesse und Korrektheit in den Phrasierungen machen zu wollen.
Die frühesten Symphonien 4 und 5 auf der CD präsentiert das Folkwang Kammerorchester Essen unbekümmert und mit Leichtigkeit. Die Violinen treten bei Übernahme der Führungsstimme selbstbewusst aus dem Orchesterverbund heraus und erzeugen mit leichter Betonung auf Strichgeräusche viel Charakter.

Bläser unterschiedlicher Art spielen eine besondere und gestalterische Rolle in Mozarts Musik. Und auch das ist bei dieser Aufnahme wunderbar dargestellt. Die Hörner füllen mit einigem und warmem Ton ihre grundgebenden Rollen aus, während die hohen Bläser die vielen Einwürfe als Antipoden zu den Melodien der Violinen mit Klarheit setzen.
In den späteren Werken Nr. 10 und 12 gehen Dirigent und Orchester dann mit Freude tiefer in die komplexeren und kunstvolleren Aufbauten und Strukturen hinein, schichten gekonnt Ebenen, schaffen Verbindungen. Hohe Tempi sind akkurat und detailfreudig ausgeführt, ohne dabei die Darstellung der Erzählungen zu vernachlässigen. Und immer wieder brillieren die Hörner, die mir hier wirklich besonders gut gefallen.
Akkurat und detailfreudig
Wenn man für Johannes Klumpp und das Folkwang Kammerorchester Essen bei dieser Einspielung eine Entwicklungsmöglichkeit sehen möchte, dann sind es vielleicht die langsamen Sätze. Das Ensemble spielt diese wunderbar weich, zart und mit Gefühl – und vor allem korrekt in den Tempi. Das ist gut und richtig und genug für die geneigten Mozart-Hörer*innen. Richtig mutig wäre es aber gewesen, wenn man noch etwas mehr Agogik gewagt und ab und zu minimale Löcher ins Tempo geschlagen hätte. Dann wäre das Schreiten dieser Tänze, für die die Musik ja gedacht war, noch etwas deutlicher dargestellt worden. Ab und zu klappt das zwar, wie zum Beispiel im „Andante“ der Symphonie Nr. 6, aber es würde mich interessieren, das auf genau dieser Einspielung noch etwas deutlicher zu hören.
Die Tonmeister des Labels GENUIN haben, was die klangliche Produktion angeht, wieder tolle Arbeit geleistet. Die Villa Hügel in Essen als Aufnahmeort bringt den für Mozart auf den Punkt passenden Raumklang, und das Orchester klingt wunderbar ausgewogen in Frequenzen und Ortung. Ab und zu glaube ich, zu starke Resonanzen in den unteren Mittenfrequenzen wahrzunehmen – das sollte sich aber wohl in den meisten Abhörsituationen nicht auswirken.
Mit Mozart Symphonies IV von Johannes Klumpp und dem Folkwang Kammerorchester Essen bekommt man eine brandneue Spitzenaufnahme früher Mozart-Symphonien, die alle Musikaffinen durch verschiedenste Tage begleiten kann.
Titelfoto: Folkwang Kammerorchester & Johannes Klumpp, Foto © Inga Jockel und Peter Gwiazda
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