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Einfach Klassik.

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CD-Review: Genova & Dimitrov – Amy Beach

Wenn man zunächst einmal über das Leben der amerikanischen Komponistin Amy Beach (1867 bis 1944) liest, dann wird schnell klar, dass sie schon durch die Entwicklung in ihrer Jugend zu den ganz großen Namen in der Kompositionsgeschichte der klassischen Musik gehören müsste. Ihre musikalische Begabung als Kind und Jugendliche war atemberaubend, und sie wurde früh gefördert, unter anderem mit Klavierunterricht bei Karl Baermann, einem Liszt-Schüler. Schnell arbeitete sie aber auf eigene Faust weiter, und brachte sich Musiktheorie, Komposition und Instrumentierung gleich autodidaktisch bei. Dies führte folgerichtig zu einer Konzertkarriere als Pianistin, und einem beeindruckenden kompositorischen Oeuvre von insgesamt über 300 Werken. 

Amy Beach – das Werk

Nun stehen Beachs Kompositionen in unseren Konzertsälen heute aber nicht so häufig auf dem Programm wie Bach, Beethoven, Mozart. Was war passiert? Amy Beach hatte etwas Pech. Sie war eine Frau, und sie lebte in ihrer Zeit, und in der heiratete sie einen Mann, der ihr die Konzerttätigkeit als Pianistin so gut wie komplett untersagte, und der sie zwang, ihre Kompositionen unter seinem Namen zu veröffentlichen! Nach seinem Tod tat sie das einzig richtige, und ging sofort auf internationale Tournee, mit ihren eigenen Klavierwerken.

Soweit zur bewegenden Geschichte von Amy Beach. Wenn man nun ihrer Musik begegnet, dann erlebt man eine so reiche und umfassende Kunstfertigkeit in Bezug auf Aufbau, Struktur, Harmonien und Melodien, und es wird klar, dass die genannten geschichtlichen Gründe für ihre heutige Unbekanntheit als Schikane bezeichnet werden müssen. 

Eine wunderbare Gelegenheit sich mit dem Werk der Komponistin zu beschäftigen, ist die vorliegende CD “Complete Works for Piano Duo”, eingespielt vom Genova & Dimitrov Piano Duo. Die Pianist*innen Aglika Genova und Liuben Dimitrov hatten sich 1995 zufällig beim üben für einen Klavierwettbewerb kennengelernt, und sind seitdem ein äusserst erfolgreiches, und gefragtes Duo, und das hier vorgestellte Album ist bereits ihre siebzehnte Veröffentlichung. Dadurch haben die beiden schon viel Erfahrung gesammelt, sich auf eine Werkauswahl einzulassen, ein Programm für ein Album zu konzipieren, und es in begeisternder Weise zu präsentieren. Bei den Werken für Piano Duo von Amy Beach war das Ziel wohl schnell klar. Man muss ja nur die unbekannte, und verblüffende Schönheit die diesen Stücken innewohnt mit Einfühlungsvermögen und Interpretationsvielfalt darbieten. 

Genova & Dimitrov gestalten vielseitig

Und das hat auch bei mir hervorragend funktioniert. Die “3 Movements for Piano Four-Hands” zogen mich sofort in ihren Bann, mit ihrer Stimmungsvielfalt und den eingängigen Melodien. Der erste Satz – allegro appassionata – beginnt gleich fröhlich, fast zum mitsingen anregend. Genova & Dimitrov spielen das weich, aber ganz geradeaus, schnörkellos, und gar nicht aufdringlich, so dass die pure Schönheit der Komposition mit Bescheidenheit wirken kann. Der zweite Satz – moderato – hat mich dann so sehr begeistert, dass die dazugehörigen Noten jetzt auf meinem Klavier stehen. Das verträumte, stille Thema führen die beiden in perfekter Abstimmung aufeinander aus, und man fragt sich, ob da wirklich zwei Musiker*innen spielen. Und auch hier halten sie die Musik klein, blähen nicht auf, sondern lassen das Stück als das stehen, was es ist.

In der “Suite for 2 Pianos Founded upon Old Irish Melodies, Op. 104” agieren Genova & Dimitrov dann mit mehr Energie, bei “Old-Time Peasant Dance” brechen sie kurzzeitig regelrecht in Lautstärke aus, und in “The Ancient Cabin” wird der Vortrag in der Mitte dramatisch und kraftvoll, und doch immer in dieser perfekten Synchronität, die mich bei längerem hören immer mehr verblüfft.

Genova & Dimitrov, Foto © Irene Zandel
Genova & Dimitrov, Foto © Irene Zandel

Zentral für die Platte, und direkt an den Anfang gestellt, sind Beachs “Variations on Balkan Themes, Op. 60”. Das längste und anspruchsvollste Klavierwerk der Komponistin stammt aus ihrer zweiten Schaffensphase, in der sie experimenteller vorging. Kaum überraschend, orientierte sie sich darin an Volksmelodien aus der Balkanregion, definierte Themen, und schloss Variationen an. Hier brilliert das Piano Duo in der Ausführung, bleibt unglaublich vortragssicher in den schnellen, anspruchsvollen Passagen, und phrasiert wieder lieblich und gefühlvoll in den ruhig erzählenden Teilen. Dieses wichtige Werk der Komponistin spielt das Duo mit besonderem Anspruch und Konzentration in der Interpretation.

An dieser CD fasziniert mich sowohl die Entdeckung dieser wundervollen Musik, als auch die makellos schöne und sehr bildhaft darstellende Darbietung von Genova & Dimitrov. Deren Genuss sollte für uns alle eine bereichernde Erfahrung sein.

Und noch ein Spaß für zukünftige Besitzer*innen: Die CD spielen wenn Besuch da ist, und auf die Frage: “Oh toll, ist das Schumann?”, grinsen und antworten: “Nein, natürlich Amy Beach!”

Titelfoto © Irene Zandel

Die Tracks

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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