Platten wie diese bespreche ich höchst selten! Und man kann “A Tribute to Johann Strauss” wohl sehr unterschiedlich wahrnehmen. Beim ersten Durchhören war das für mich der in einer “Klassik CD” materialisierte, komplett wahnsinnige Ritt auf der Kanonenkugel, an anderer Stelle fühlte ich dann aber, dass hier etablierte Unterhaltungsmusik gekonnt umarrangiert und dann von einem Spitzenensemble mit Witz und viel Schwung aufgenommen wurde. Und ich glaube, dass beides richtig ist.
Fachwissen und Arbeitseinsatz
Die Familie Strauss ist jedem ein Begriff und in diesem Jahr feiert mindestens ganz Wien 200 Jahre Johann Strauss. Ein weiteres Beispiel berühmter Komponisten, die letztlich Tanzmusik und damit Unterhaltungsmusik geschrieben haben. Davon gab es ja noch andere in der klassischen Musik. Und doch haben die strauss’schen Walzer, Polkas, Märsche und Polonaisen ihren festen Platz in der Klassikwelt und werden gern zu besonderen Anlässen wie Neujahrskonzerten aufgeführt. Nun würde ich mir Aufnahmen solcher Veranstaltungen vielleicht nicht als allererstes anhören, da bin ich ehrlich. Aber bei “A Tribute to Johann Strauss” ist einiges anders. Denn nicht ein Orchester möchte die launigen, hochbekannten Weisen spielen, sondern ein Blechblasensemble, und keine Geringeren als die vielbeachteten German Brass. Na gut, dann eben Bläser, mag man denken. Aber so einfach ist das nicht. Müssen die Werke doch erst einmal für solch ein Ensemble angepasst werden. Auch das bestimmt kein Hexenwerk, so erfordert es aber aufgrund der unterschiedlichen Stimmungen, Tonumfänge und spielerischen Eigenheiten der einzelnen Instrumente eine gehörige Portion Fachwissen und auch schlicht Arbeitseinsatz. Für die allermeisten Tracks auf der CD hat sich Ensemblemitglied, weithin bekannter Trompeter und Dozent Matthias Höfs, diese Aufgabe zu eigen gemacht, und neben dem Instrumenten- und Ensemblespiel ist das Arrangement nun mal integraler Bestandteil einer solchen Veröffentlichung.

Aber es sind nicht nur strauss’sche Werke, die uns German Brass hier vorspielt. Wir hören auch von Kreisler, Rossini, Chopin, Kerschek und anderen. Eines haben dennoch fast alle Werke gemeinsam: es sind absolute Gassenhauer, die jeder mitsingen kann. “Ouvertüre zur Operette ‘Die Fledermaus’”, “Tritsch-Tratsch-Polka”, “Wiener Blut” oder “Champagner Galopp” machen jede weitere Erläuterung unnötig.
German Brass mit Schmunzeln
Warum höre ich mir das nochmal an? Ach ja, weil es Stimmungsmusik ist. Nee! (würde Loriot sagen). Weil es in mehrfacher Hinsicht eine handwerkliche Höchst- und Meisterleistung ist! Die wichtigen Arbeitsschritte bei der Herstellung dieses Albums sind immer eine Gratwanderung zwischen technischer Brillanz, verschmitzter Ironie und augenzwinkerndem Schmunzeln. Alle Beteiligten gehen diesen Weg gezielt und in bewusster Absprache und Planung. Dadurch wirkt die Aufnahme oberflächlich betrachtet frisch und leichtfüßig, bei genauerem Hinhören wird aber schnell klar, wie makellos und punktgenau spieltechnische Schwierigkeiten nicht nur gemeistert, sondern im Ensembleverbund mit viel Herz und Interpretationslust wirklich musiziert werden. Während meiner Jugend in Nordbayern durfte ich des Öfteren Bläsergruppen zuhören, zwar selten mit Werken der Strauss-Familie, aber Anklänge gibt es dennoch, und damals haben sich mir die Schwierigkeiten beim Spielen von Blasinstrumenten sozusagen akustisch eingebrannt.

In Brahms’ “Ungarischer Tanz Nr. 5” schreitet German Brass mit traumwandlerischem Ensembleverständnis durch sehr interessante, fast “wienerisch” anmutende Agogik; in “Cavatina ‘Largo al Factotum della Città’” von Gioachino Rossini fliegen die mit blitzsauberem Blasansatz und akkuratem Timing gespielten Verzierungen nur so durch die Luft. Mal spielt das Ensemble buchstäblich aus vollem Hals wie in der Schnellpolka “Unter Donner und Blitz” Op. 324, mal schwelgen die Bläser im “Liebeslied” aus Fritz Kreislers “Altwiener Tanzweisen für Violine und Klavier” in wehmütigen, aber dennoch klar und mit Genuss modellierten Glissandi. Und bei all der Planung und Konzentration auf die unzähligen technischen Aspekte vergisst German Brass natürlich nicht, in den oben schon aufgelisteten Klassikern wirklich zum Tanz aufzuspielen, so wie es sich für ein Blechblasensemble beim gewählten Programm nun mal gehört!
Ich weiß gar nicht, wem ich “A Tribute to Johann Strauss” von German Brass für welche Gelegenheit empfehlen soll, und gleichzeitig bin ich der Meinung, dass jede und jeder das gehört haben MUSS! Entscheidet selbst, was dieses Album mit eurem Leben macht – etwas ganz Besonderes ist es auf jeden Fall!


