Erst gegen Ende des vergangenen Jahres hat Igor Levit mit den Wiener Philharmonikern eine eher weniger überzeugende Aufnahme der Brahms-Klavierkonzerte vorgelegt. Nun hat sich auch Herbert Schuch mit seinem neuen Album dem Hamburger Komponisten zugewandt. Die erste Skepsis war schnell verflogen, denn die Einspielung ist eine regelrechte Offenbarung.
Warum eine weitere Aufnahme dieser Konzerte? Herbert Schuchs Statement ist eindeutig: „Es gibt keine Alternative zu diesen beiden Werken. Kein anderes romantisches Klavierkonzert – Schumanns Konzert vielleicht ausgenommen – vereint die große Geste, virtuos dramatische Zuspitzungen und ein so tiefes kammermusikalisches Miteinander. Die Virtuosität bei Brahms ist nie Selbstzweck. Sie ist stets in einen musikalisch stringenten Verlauf eingebettet. Die Beschäftigung mit diesen beiden Kolossen ist ein lebenslanger Prozess.“
Fesselndes Spiel
Schon bei den ersten Takten des 1. Klavierkonzerts wird deutlich: Dieser Brahms ist anders und genau diese Aufnahme musste gemacht werden. Seit Tagen laufen die beiden Silberlinge im heimischen Player rauf und runter, ohne absehbares Ende. Schuch fesselt mit seinem Spiel von der ersten Sekunde an, meisterhaft begleitet von den hervorragenden Bochumer Symphonikern (unter Leitung des taiwanesischen Dirigenten Tung-Chieh Chuang), die spätestens mit dieser Aufnahme unter Beweis stellen, dass sie zu Deutschlands Spitzen-Orchestern gehören und sich hinter großen Namen nicht verstecken müssen.
Eine musikalische Begegnung auf Augenhöhe und ein hörbar intimer Dialog lassen diese Einspielung so makellos erscheinen. Besonders das allegro non troppo des 2. Klavierkonzerts pegelt bis an die Grenzen jeder Erwartung. Schuch bringt den Steinway regelrecht zum Beben. Was für eine Transparenz und Leuchtkraft auf der Klaviatur. Der in Rumänien geborene Pianist hat Brahms Partitur regelrecht verinnerlicht. Sein Spiel ist inspiriert, virtuos und handwerklich bravourös. Die Bochumer Symphoniker überzeugen mit absoluter Spiellaune und einer in positivem Sinne brachial anmutenden Dynamik in den tutti. Kammermusikalische Verdichtung trifft auf opulente Klangstruktur.
Herbert Schuch andächtig
Neben den beiden Klavierkonzerten befinden sich auch noch einige von Brahms Klavierminiaturen auf den CD´s wie zum Beispiel das wunderschön andächtig gespielte und von Herbert Schuch selbst für das Piano arrangierte Wiegenlied „Guten Abend, gut´Nacht“.

An dieser Stelle auch ein Kompliment an die Tontechniker, denen ein Mastering auf Referenz- Niveau gelungen ist. Die mit Abstand beste Live-Einspielung der Brahms-Klavierkonzerte ist nun vollbracht. Das ist trotz heutzutage modernster Aufnahmetechnik leider oftmals keine Selbstverständlichkeit.
Einziger Kritikpunkt ist die etwas umständlich angegebene Titelzuordnung auf der Cover-Rückseite des Doppelalbums. Hier wäre eine genauere Unterteilung wünschenswert gewesen, ohne dass bei jeder Benutzung das Booklet für die Titelabfolge herausgefischt werden muss.
Nicht nur Musik-Journalisten sondern auch echte Musik-Enthusiasten sind immer auf der Suche nach der ultimativen Aufnahme bestimmter Werke. Da der Autor dieser Zeilen trotz aller Streaming-Angebote immer noch ein unermüdlicher Verfechter physischer Tonträger ist, sei dieses CD-Doppelalbum jedem Klassik-Freund wärmstens empfohlen. Zumindest bei den Brahms-Klavierkonzerten hat die Akquise ein Ende gefunden. Eine Referenz-Aufnahme mit Vorzeige-Charakter, die so schnell wohl kaum zu toppen sein wird. (Sorry, Nelson…)