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Einfach Klassik.

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Holger Busboom - Da uno a cinque Cover

CD-Review: Holger Busboom – Da Uno A Cinque

Holger Busboom ist Klarinettist, und er hat eine CD aufgenommen. Sowas ist wohl schonmal vorgekommen, aber das Projekt “Da Uno A Cinque” ist aus so vielen Perspektiven bemerkenswert, dass ich unbedingt darüber schreiben möchte.

Es beginnt schon damit, wie ich auf die CD aufmerksam wurde. In der Karawane der neuen Veröffentlichungen, die stetig durch meine realen und virtuellen Briefkästen zieht, fehlte sie nämlich. Meine aufmerksame und geschmackssichere Freundin machte sie mir zum Geburtstagsgeschenk, nicht weil sie für ihren blogbetreibenden Freund im Plattenladen Klassik-CDs sucht, sondern weil Holger Busboom die Aufnahme mittels einer Crowdfunding-Kampagne finanzierte, die sie gerne unterstützen wollte. Und das ist schon die nächste Besonderheit, die dieser Veröffentlichung eine besondere Qualität gibt, ist doch solch eine Kampagne eine zusätzliche Anstrengung für Künstler*innen gegenüber der Komplettunterstützung durch ein Label. 

Das gewichtigste Alleinstellungsmerkmal ist jedoch das Instrument, das Holger Busboom ins Zentrum gestellt hat, die Bassklarinette. Ah, schonmal gehört. Das Wort oder den Klang? Letzteres wäre unerlässlich um erfassen zu können, um was für ein großartiges Instrument es sich hier handelt. Die Bassklarinette intensiviert die sowieso schon attraktiven Klangeigenschaften der Klarinette, und stellt den hochfrequenten, aber üblicherweise runden Klanganteilen ein noch massiveres und damit wärmeres Bassfundament gegenüber. Dadurch haben sowohl Komponist*in als auch Klarinettist*in ein größeres Klangspektrum zur Verfügung. 

Holger Busboom spielt eine Mischung

Großes Spektrum wünschte sich Holger Busboom aber auch bei der Breite des Repertoires auf der CD, und so spielt er von Bach bis Neue Musik eine Mischung, die sich aber etwas mehr in die Moderne lehnt. Und dem nicht genug, schließlich hat der Klarinettist auch bei den Besetzungen für die einzelnen Stücke variiert. “Da Uno A Cinque” ist der Titel eines Werkes auf der CD, aus der Feder des Belgischen Komponisten Frits Celis, aber es ist auch das Konzept für die Besetzungen, denn Holger Busboom spielt Solostücke, Werke mit seinem Duo “[døbas]” und einige zusammen mit dem Streichquartett des notabu ensembles.

Letzteres tritt gleich zu Beginn der CD in Aktion im zweisätzigen Werk “Phantasy Quintet” op. 93 von York Bowen. Weder der englische Komponist noch sein Quintett waren mir bisher ein Begriff, und ich wurde schnell in die hübsch romantisch verklärte Harmoniewelt hineingezogen. Die Musiker*innen des Ensembles gestalten sehr kammermusikalisch engagiert, mit viel Lust auf Betonung und Ausgestaltung. Interessanterweise wird das Soloinstrument erst mit der Zeit im Werk eingeführt, was wiederum für die geschmackvolle Programmgestaltung Holger Busbooms spricht. Auch im Verlauf des Werkes spielt er sich nicht stärker als nötig in den Vordergrund, sondern hat wirklich Lust mit diesen besonderen Musikerinnen zu musizieren. Mit Lust legen sich die Beteiligten dann in den leichten Saloncharakter des zweiten Satzes und geben dem Werk dort die angemessene augenzwinkernde Theatralik.

Nachdenkliche Weichheit

Das zweite Werk auf der CD mit Ensemblebeteiligung ist dann das titelspendende “Da uno a cinque” op. 27 von Frits Celis. Auch hier lerne ich Komponist und Werk neu kennen, und bin freudig überrascht vom witzig-modernen Charakter, den die Musiker*innen kunstvoll als Atmosphäre zu versprühen vermögen. Holger Busboom nutzt mit viel Understatement die Stellen mit Solomelodien für fragendes Erzählen und nachdenkliche Weichheit. Spätestens hier merkt man wie sehr ihm als Klarinettist die Bassklarinette am Herzen liegt, er intoniert mit viel Spielfreude und kunstvollem Tonansatz. 

Gleich eingefangen haben mich aber auch die Stücke, die Holger Busboom zusammen mit seinem Bassklarinettenduopartner Didier Jacquin spielt, zum Beispiel das wunderbar gefühlvolle “A l’ombre du vieux chene”, das Jacquin selbst komponiert hat. Hier haben die beiden ideale Möglichkeiten sowohl ihre Instrumente mit viel Dynamikumfang zu präsentieren, als auch ihre gut Eingespieltheit zu leben. Dies tun sie auch in “Black” von Marc Mellits, dann aber mit aber in der minimaoistischeren Monotonie, die diesem Stück einen ganz eigenen Reiz gibt. Busboom und Jacquin spielen hier gekonnt mit Formantstruktur und Anblasverhalten ihrer Instrumente, und halten die Harmonieverläufe damit im genretypisch langsamen Schritt.

Da uno a cinque - Aufnahme
Da uno a cinque – Aufnahme

Aber Holger Busboom spielt dann auch solo, was ich bei der nicht so hohen Bekanntheit der Bassklarinette sehr passend finde. Er spielt unter anderem aus der ersten Cellosuite von Bach, das berühmte “Adagio” aus Bachs erster Violinsonate, aber auch eine Jazzetüde von Georg Stump. Dem Bassklarinettisten der Düsseldorfer Symphoniker, der mit 59 Jahren leider früh verstorben ist, widmet Holger Busboom dann auch ein selbst komponiertes Stück namens “Rhapsodie pour Georges”, das er wieder als Duo mit Didier Jacquin spielt, und das fröhlich pointierten Melodien ein schönes Gedenken zu sein scheint.

Es ist einfach auch die Mischung, die es auf “Da Uno A Cinque” macht, Holger Busboom lädt sich hochkarätige Musiker*innen ein und spielt solo, aber keins von beiden muss er auf Albumlänge strecken. Dadurch gibt er geübten sowie unerfahrenen Hörer*innen die Möglichkeit der Bassklarinette näher zu kommen, und macht perfekt Werbung für die Wärme und die Weichheit dieses Instrumentes.

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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