Auf dem neuen Album „HOMELAND“ gelingt der spanischen Pianistin Judith Jáuregui zusammen mit dem Orquesta Sinfónica de Castilla y León unter der Leitung von Kaspar Zehnder eine lebendige Neuerkundung zweier Klangwelten aus dem hohen Norden und dem tiefen Süden Europas, wie sie kontrastreicher nicht sein könnten – nicht nur geografisch und klimatisch betrachtet. Das gemeinsame Anliegen, ein Monument für die liebgewonnene kulturelle Heimat zu setzen, eint Edvard Grieg mit seinem Klavierkonzert a-Moll und den Spanier Manuel de Falla in seinen „Noches en los Jardines de España“ allemal.
Das wird gerade deswegen umso deutlicher, weil sich die spanische Interpretin und dieses hochmotivierte Orchester dem effektheischerischen Pathos verweigern und dadurch interpretatorisch im besten Sinne tiefer blicken.
Kreative Spannung mit Judith Jáuregui
„Diese Musik erklingt, wenn es dunkel wird“, beschreibt der Schweizer Dirigent Kaspar Zehnder die Ausgangslage für die beiden Kompositionen dieser Aufnahme. Aber für die Pianistin Judith Jáuregui geht es hier – was hörbar ist -, nicht in erster Linie um das Dunkel, sondern viel um lyrische Innigkeit, die das Spiel dieser Musikerin in leuchtende Farben taucht, vor allem in Manuel de Fallas impressionistischer Darstellung des spanischen Lebensgefühls, in dem zum Finale des Programms auch viele Flamenco-Elemente mitschwingen. Und ja, vielleicht ist es auch die kreative Spannung aller Beteiligten miteinander, der die hier vorliegende tiefgründige Interpretation, der es dennoch nie an sinnlicher Verführungskraft mangelt, zu verdanken ist.
Vor allem der raffinierte Umgang mit Tempi und Agogik macht auf Anhieb klar, dass das Vertraute nur scheinbar vertraut war, sondern hier auch immer neue, bislang vielleicht verborgene Aspekte ihrer Entdeckung harren und hier die hohe Kunst des Sich-Zueigen-Machens praktiziert wird.
Edvard Griegs a-Moll-Klavierkonzert, oft als Inbegriff nordischer Klanglandschaften bezeichnet, fordert die Solistin technisch heraus, besonders im ersten und letzten Satz. In den virtuosen Kadenzen offenbart sich Jáureguis Brillanz und viel impulsives Temperament, vor allem der tänzerische Wirbel im freudvollen dritten Satz erobert mit Leichtigkeit und Präzision den Raum. Zehnder hat das Orchester dazu bestens auf die gemeinsame Sache eingeschworen, so dass Griegs komplexe orchestrale Texturen in Klarheit und Wärme aufblühen.
So sehr Griegs Klavierkonzert schon ein sinfonisches Gefüge mit mehr oder weniger gleichberechtigter Rolle des Soloinstruments ist, so steigert sich der integrative Aspekt noch im zweiten Werk der Aufnahme. Obwohl „Noches en los Jardines de España“ formal noch als Klavierkonzert angelegt ist, fügt sich das Klavier als gleichberechtigter Partner des Orchesters in die klangliche Textur ein. Was aber nicht ausschließt, dass Judith Jauregui hier in vielen echten Bravourpassagen genug zu tun hat und sich als überlegene Kraft der Einfühlung erweist – mit zahlreichen Wechseln zwischen zarten, perlenden Passagen und leidenschaftlichen Ausbrüchen, in denen emotionale Tiefe und virtuose Brillanz keine Widersprüche darstellen. Das Orchester erzeugt durch gestopfte, silbrig schimmernde Blechbläser und bebende Streichertremoli eine duftige Märchenwelt in typisch impressionistischer Orchestrierung. Die entfesselte Rhythmik und farbenreich schwelgende Klänge machen die exotische, sinnliche Atmosphäre von maurischer Architektur und südländischer Leidenschaft perfekt. Besonders delikat gelingt „Danza lejana“, das den geheimnisvollen, traumhaften Charakter auf die Spitze treibt. Den finalen Showdown liefert „En los jardines de la Sierra de Córdoba“ mit einer lebhaften Collage aus volkstümlichen Tänzen der Region. So kann die heiße Sommernacht ihren Lauf nehmen.