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Einfach Klassik.

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CD-Review: Judith Weir – Hebrides Ensemble: Airs from Another Planet

Die Komponistin Judith Weir habe ich hier ja bereits vorgestellt. Nun wird eine neue Einspielung einiger ihrer Werke mit dem Hebrides Ensemble veröffentlicht, das schon öfter zusammen mit Delphian Records einen Tonträger einer bestimmten Komponistin gewidmet hat. Das Kammerensemble hat mit den Jahren einen sehr guten Ruf für seine Spielqualität erreicht, rekrutiert es seine Musiker*innen doch aus den besten Spezialist*innen für Neue Musik in England. 

 

Eingespielt

Auch auf der vorliegenden Aufnahme hört man diese Erfahrung, denn den oft feinfühligen Kompositionen Weirs setzen die Musiker zielstrebige Interpretationssicherheit als Gegengewicht, erkennbar am zielbewussten, feinmotorischen Verhalten der Musiker. Sie scheinen einem gefassten Plan zu folgen in dem offene interpretatorische Fragen nicht vorgesehen sind. Das mindert zwar die persönliche, emotionale Interaktion mit der Musik während des Hörens, stellt aber andererseits die Musik eher so dar wie von der Komponistin intendiert, und da sich Weirs Musik harmonisch und dramaturgisch oft sehr ausgewogen zeigt, führt diese Herangehensweise auch zu einem angenehm abgeschlossenen Hörerlebnis. Ganz deutlich wird das im Titelwerk Airs from Another Planet, wo die vielen gewitzten Einwürfe und Pausen mit fast schon operettenhafter Selbstverständlichkeit ausgeführt werden. Diese Auswahl von Schottischen Volkslieder, die in die Zukunft projiziert werden, lässt die Instrumente oft in extremen Tonlagen spielen, was für das Ensemble offenbar ein gern angenommener Auftrag ist. Aber auch die ganz bewusst dosiert gesteuerte Synchronität in Sketches from a Bagpiper‘s Album mit der die Musiker richtiggehend cineastische Aura zaubern fällt im Vortrag auf. Dieses Werk für Streichtrio (ursprünglich für Klarinette und Klavier) hat die Komponistin an das Leben von James Reid angelehnt, der Dudelsackspieler in der schottischen Jakobiterarmee war, aber im Jahr 1746 von den Engländern gefangen und hingerichtet wurde, nachdem Diese den Dudelsack zu einer Kriegswaffe erklärt hatten.

Ein Klavier

In Day Break Shadows Flee, einem Stück für Solo-Klavier, changiert der Pianist James Willshire die Anschlagsimpulse seines Spiels, ins Gesamtkonzept des Albums passend, sehr gekonnt zwischen falterhafter Flatterigkeit und weich angesetzter, kulminierender Grandezza. Die gelegentlich gesetzten Jazz-Harmonien fliegt der Pianist mit einem schelmischen Grinsen in den Vortrag ein. Dieses von der BBC beauftragte Stück hatte Weir ursprünglich ohne Lautstärkeanweisungen notiert, Diese aber bei der Vorbereitung zur Uraufführung nachträglich hinzugefügt. Anders die Pedalanweisungen, hier ist die Komponistin froh sich beim notieren zurückgehalten zu haben, und dies der Musikerin zu überlassen.

Die 3 Chorales, eine auf christlichen Liedern basierte Meditation für Cello und Klavier wird hier auch von Willshire und am Cello William Conway vorgetragen, die neben der meditativen Stimmung auch die fragenden Elemente in der Komposition sehr betonen. Gerade der Pianist versteht es durch seine dezidierte Anschlagstechnik Töne mit großer Tiefe in den Raum zu stellen.

 

Opernluxus

Für die Gesangsparts konnte die Irische Sängerin Ailish Tynan gewonnen werden. Als beschlagene Opernsängerin ist sie eine perfekte Besetzung, muss sie doch in Really? Verschiedenste Techniken beherrschen, von normal vorgetragener Sprechstimme bis hin zu Operngesang. Ihr für eine Sopranistin auffallendes und angenehm dunkles Timbre gibt der Einspielung nochmal eine kleine Besonderheit mehr. Mit Nudist d’Afrique eröffnet Tynan die Aufnahme brilliant. Hier hat Weir die Texte der ursprünglichen Version von Ravel, in denen Frauen eine unterwürfige Rolle gegenüber dem Mann zugedacht ist glücklicherweise ersetzt gegen Texte von Schriftstellerinnen aus dem Senegal, dem Kongo und der Elfenbeinküste. Die Sängerin weiss mit groß geformten, vollen Tönen diese Entscheidung gut zu untermauern.

So viel ist drin in dieser Veröffentlichung, eine breite Vielfalt an begeisternden Werken mit interessanten Geschichten, das aufregend interessante Spiel eines hervorragenden Ensembles, und faszinierende Solisten, die perfekt in das Konzept passen. Hörenswert ist da noch eine mildere Empfehlung!

Trackliste:

1–4. Nuits d’Afrique
5–7. Three Chorales for cello and piano
8. O Viridissima for piano trio
9–11. The Bagpiper’s String Trio
12. Day Break Shadows Flee for solo piano 13–15. Really?
16–19. Airs from another Planet
Spieldauer:  [73:13]

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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