Die Pianistin Cathy Krier veröffentlichte mit „Piano Poems“ ein gemischt programmiertes Klavieralbum, das auf den ersten Blick nicht überrascht. Im Gegenteil, mit dem Ablauf Ravel, Liszt, Gourzi, Kontz und Prokofjew entscheidet sie sich für ein typisches Sandwich-Programm, bei dem zeitgenössische Kompositionen von Stücken älterer und bekannterer Komponisten eingerahmt werden. Da mich aufwändig konstruierte Programmkonzepte per se aber nicht so schnell hinter dem Ofen hervorlocken, kommt es mir auch bei diesem Album auf andere Dinge an.
Mit Ravels „Ondine“ und Liszts „Ständchen“ spielt Krier zwei äußerst populäre Gassenhauer der Klassik und gibt damit wohl dem Publikum auch das, worüber es sich freut. Aber vielleicht traf sie diese Entscheidung auch, weil die Pianistin die Stücke wirklich gerne spielt. So klingt es jedenfalls, denn sie gestaltet Ravels und Liszts Werke nicht einfach in bekannter Weise, sie arbeitet Perfektion mit viel Liebe und Zuwendung und mit Hinwendung zum Detail heraus.
Gleich zu Beginn glänzt und strahlt „Ondine“ mit viel Ruhe und Besinnung aufs Wesentliche und verzichtet bewusst auf interpretatorische Versessenheit. Die Pianistin arbeitet sehr einfühlsam heraus, wodurch diese Musik so begeistert. Crescendi sind kräftig, aber nicht überbordend, schnelle Läufe überschlagen sich nicht, sondern erzählen immer noch aus der Musik heraus.
Konzentration auf die Musik
Liszts „Gretchen am Spinnrade“ begeistert mich in Cathy Kriers Spiel besonders durch die ideal geführten feinen Tempoverläufe sowie die sehr erzählend ausgeführten Tonansätze. Und im letzten Drittel verliert sich die Pianistin fast in den dynamischen Steigerungen, so wie es vom Komponisten ja angelegt ist.
„Ständchen“ lässt Cathy Krier dann ganz in seiner Einfachheit wirken, führt aber die Tonformung ganz subtil hin zu Größe und Grandeur, sodass mir einmal mehr klar wird, dass ich Passagen, die ich eigentlich selbst spielen können müsste, so nun doch wieder nicht hinbekommen würde. Durch ihre professionellen Möglichkeiten kann sich die Pianistin in so einer Situation viel intensiver auf die pure Musik konzentrieren, auf das Zusammenspiel von Tönen und musikalischen Themen, wodurch dann erst Sinnzusammenhänge entstehen können.
Und wie so oft ergibt sich im Verlauf dann dennoch ein anderer Höhepunkt für „Piano Poems“, denn auch Cathy Krier kann nicht verbergen, dass ihr das Spiel der Neuen Musik und die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponist*innen besonders viel Spaß macht. Konstantia Gourzis „Ithaca“ führt Cathy Krier in all seinen unterschiedlichen Facetten mit viel Interpretationsstärke aus. Neue, oft perkussive Spieltechniken erklingen mit eloquenter Freude, tonale, harmonische Passagen wirken mit cineastischer und raumgreifender Weite.
Cathy Krier agil und leichtfüßig
Diese Spielfreude entwickelt die Pianistin über das Album hinweg immer weiter und bleibt in „Murmuration“ von Catherine Kontz ganz agil und leichtfüßig bei allem Witz und Fragen in dieser Komposition. Neue Spieltechniken führt Cathy Krier dabei nicht als Selbstzweck aus, sondern bleibt dabei immer klang- und wirkungsoptimiert.
Gegen Ende des Albums hat die Pianistin dann die Hörer*innen so weit vorbereitet, dass sie ganz ihre musikalische Persönlichkeit leben kann. Prokofjews „6 Pieces“, Op. 102 musiziert die Pianistin sehr reich in den dynamischen Klangfarben und öffnet damit Räume fürs Zuhören, die in unseren aktuellen Medien immer öfter verschlossen bleiben. Zusammen mit bewusst gestalteten Tempostrukturen und Agogik erzeugt Cathy Krier einen sehr räumlichen Vortrag, der sich viel in Erzähldimensionen bewegt. Zusammen mit schon erwähnter Agilität wird das Ganze ein ums andere Mal zu Theatermusik.
Um nochmal das überstrapazierte Sandwich-Programm zu bemühen: zu Unrecht. Cathy Krier hat mit „Piano Poems“ ein abwechslungsreiches und unterhaltsames Programm geschaffen, das in seiner hochwertigen Ausführung und Umsetzung sehr überzeugt und viel Spaß macht!
Titelfoto © Martine Pinnel