Einfach Klassik.

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Liv Migdal Cover

CD-Review: Liv Migdal und Mario Häring – Beyond Horizons

„Beyond Horizons“ von Liv Migdal und Mario Häring ist ein typisches Klassik-Konzeptalbum. Mit der Violinsonate in a-moll von Dame Ethel Smyth, den „6 Pieces for Violin & Piano“ von Amanda Maier und der Violinsonate No. 2 von Edvard Grieg setzen die beiden Musikerinnen drei Komponistinnen in Beziehung, die das zu ihren Lebzeiten auch waren. Smyth und Maier waren in Freundschaft verbunden, und Edvard Grieg besuchte private, von Maier ausgerichtete Musikabende. Das funktioniert soweit als Plan für die Platte.

Liv Migdal, Foto © Zuzanna Specjal
Liv Migdal, Foto © Zuzanna Specjal

Allerdings steckt noch weit mehr in dieser Programmzusammenstellung als zunächst gedacht. Dame Ethel Smyth war die erste wirklich respektierte Komponistin in England. Mit beachteter Komponistinnenkarriere und mehrfacher Lehrtätigkeit kam ihr Bedeutung zu, und die vorliegende Sonate reflektiert das in kompositorischer Kraft. Liv Migdal nimmt uns auf ihrer Geige nicht einfach nur mit in die Klangwelt der englischen Komponistin, sie operiert überraschend eindrücklich mit eigentlich basalen Spieltechniken, wie der Strichgestaltung. Stärke und Geschwindigkeit nutzt sie gleich im ersten Satz „Allegro moderato“ sehr effektiv, um der Geigenstimme viel räumliche Erzähltiefe zu geben. Da werden leise hohe Melodien fragil, fast kränklich über dem Klavier platziert. Tiefe, hintergründige Tonfolgen mutieren von rauchiger Verschleierung in ein klares Vibrato.

Mario Häring hat währenddessen oft die rhythmische Führung, gegenläufig zur Geige. Das will koordiniert sein, gerade wenn er nicht im Vordergrund steht, was immer beeindruckend und organisch funktioniert. Mit einigen Kurzcrescendi, die lautere Geigenpassagen einstarten, setzt er Migdal gekonnt und agil in Szene, um dann schnell wieder im Hintergrund zu arbeiten. Die Variabilität in Härings Spiel macht richtig Spaß, die Wandlungsfähigkeit in seiner Rolle zeigt große Erfahrungsbandbreite. Mal spielt er sich kurz nach vorne, um dann wieder leise Fragen der Violine zur Beantwortung zu geben. Und seine musikalische Partnerin nimmt das sehr gerne an, spielt den Ball gestalterisch immer wieder zurück, hin und her, und bleibt dabei sogar in hohen Passagen meiner Meinung nach bemerkenswert dunkeltönig, was für mich eine erfrischende Abwechslung zu vielem anderen Geigensolospiel ist.

Das „Andante grazioso“ der Sonate gehen beide sehr pragmatisch, fast zurückhaltend an, eine überraschende Ehrlichkeit und Nüchternheit, die dann aber für die anschwellenden lauteren Passagen eindrucksvoll genutzt werden kann.

So schön die Sonate der Granden Smyth auch ist, für mich ist das zentrale Werk des Albums Maiers „6 Pieces for Violin & Piano“. Als gesamtes bilden sie ein großes Werk im Kleinen, das durch eine unglaubliche Vielfalt an Stimmungen und Dynamiken besticht. Nach dem Hören glaube ich eine ganze Symphonie hinter mir zu haben. Und das liegt vor allem auch am Vortrag von Liv Migdal und Mario Häring, die immer alles geben, in Kraft und Zurückhaltung, im Großen wie im Kleinen. Sie werfen sich mit größter Spielfreude ins Werk und reißen mich von Anfang an mit.

Mario Häring, Foto © Zuzanna Specjal
Mario Häring, Foto © Zuzanna Specjal

Auch „Nr. 3 Lento“ ist mit viel Intonationskraft gespielt, wirkt innig, den Hörenden zugewandt. Während „Nr. 5 Tranquillamente. In­nig“ dann sehr feingliedrig, fragil und transparent erscheint. Die meiste Kraft entwickeln Migdal und Häring in den schnelleren Stücken, lassen dabei aber niemals Leichtigkeit und Spielwitz vermissen. Im letzten Stück gestalten sie damit einen sehr schönen und geschmackvollen Abschluss für das Werk.

Die Violinsonate von Edvard Grieg rundet das Album dann wunderbar ab und gibt den Fans des bekannten Komponisten noch ein weiteres Hörerlebnis.

Mit „Beyond Horizons“ bringen Liv Migdal und Mario Häring eine beeindruckende Platte, die gefüllt ist mit beeindruckenden Werken und intensiver, gekonnter Ausführung!

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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