Der Tod gehört zum Leben wie atmen, essen und so viel andere, selbstverständliche. Der Umgang mit diesem Thema ist gerade in unserer Kultur mit schweren Riten belastet. Anderswo auf diesem Planeten geht die Ablösung vom irdischen Dasein mit mehr Leichtigkeit einher. Über den immerwährenden Prozess von menschlichem Werden und Vergehen reflektiert die weltlich-zeitgenössische Lyrik der Schweizer Autorin Elsbeth Maag in ihrem aktuellen Zyklus „novembrig“. Der Freiburger Komponist Ulrich Zeidler stand bei der Vertonung dieser Texte vor der Herausforderung, genau diesen Zustand zu erhalten – und hat sich dafür ein spezielles Kompositionsverfahren ausgedacht. Das eigens dafür zusammengestellte Ensemble fünf&fünf hat das fertige Werk mit viel Empfindung soeben für die vorliegende CD auf dem Label solo musica eingespielt. Die Uraufführung liegt erst wenige Wochen zurück. Fünf Sängerinnen und Sänger, ebenso fünf Instrumentalisten lassen zu den Texten sehr diverse und assoziative Klangräume entstehen. Genau die braucht es, damit diese moderne Lyrik ihre Emotionen zwischen den Zeilen entfaltet. Vor allem sollte vermieden werden,Elsbeth Maags frei fließende Sprachkunst wieder durch eine lineare Vertonung im konventionellem Sinne zu domestizieren oder gar zu ersticken.
Der freie, deklamatorische Fluss befreit
Alles wirkt so wie in einer Art moderne Kantate für Gesangs- und Intrumentalensemble. Für hervorragende Flexibilität sorgt, dass die beteiligten Ausführenden sowohl in der Alten Musik, aber auch im zeitgenössischen Repertoire gut zuhause sind. Die Stücke sind darüber hinaus vom Improvisationsgeist und manchmal auch von der Funktionsharmonik des Jazz beeinflusst. Aber ohne, dass es jemals hier auf schnödes Crossover hinausläuft. Gut so, denn so bleibt die Sprache im Zentrum, welcher sich die weitgehend tonal und modal gedachte Musik dienlich erweist und der befreite deklamatorische Fluss genug Nahrung bekommt. Über weite Strecken bewegen sich Stimmen und Instrumente in fließenden Linien – manchmal auch mit punktuellen Sforzato-Ausbrüchen. Denn ohne so manch dramatischen Aspekt kommt auch Elsbeths Maags Reflexion über das Ende vom physischen Leben und dem Danach nicht aus. Die hervorragend ausgebildeten Sängerinnen und Sänger singen oft in enger chromatischer Reibung, aber auch solistisch mit impulsiver Leidenschaft. Dazu spielt die schlanke Quintett-Besetzung aus Klavier, Trompete, Cello, Violine mit luftigem Feingefühl und hoher Präzision auf. Die mit Dämpfer gespielte Trompete von Christian Sonderegger nimmt manchmal schon fast eine leitmotivische Rolle ein.
Eine meditative Antwort auf die reizüberflutete Welt
Stille Beobachtungen aus der Natur als Antwort auf unsere reizüberflutete Welt schlagen assoziative Brücken zum Nachdenken über verstorbene, geliebte Menschen, aber auch über die eigene Vergänglichkeit. Man sollte den gesamten Text nicht linear lesen, sondern lieber in jedes einzelne Wort eintauchen. Genau das haben Ulrich Zeitler und die Musikerinnen und Musiker im Ensemble fünf&fünf begriffen und fantasievoll eingelöst.Tod und Vergänglichkeit sind nicht länger dunkle Schreckensgestalten, sondern werden zu luftigen Fantasiewesen. Die Klangwelt, die Ulrich Zeitler und seinem hochmotivierten Ensemble dazu einfiel, macht alle Zustände von Übergang, die hier thematisiert werden, letztendlich noch schwereloser.