Der portugiesische Komponist und Dirigent Nuno Côrte-Real zeigt sich auf seinem neuen Album „Kind of Classic“ als virtuoser Grenzgänger zwischen musikalischen Sphären – ebenso, wie der Albumtitel bereits auf ein Spiel mit Genre-Konnotationen verweist. Das Orquesta Sinfónica de Castilla y León unter Leitung des Komponisten erweist sich dabei als hervorragender Begleiter für alle kühnen Abenteuer, die auf dieser CD dokumentiert sind und einen Höhepunkt in Corte-Reals beachtlicher Diskografie markieren.
Die dreiteilige Komposition „Kind of Concerto“ für Tuba und Orchester ist eine bewusste Anspielung auf Miles Davis‘ „Kind of Blue“ und das spielt ebenso auf Côrte-Reals künstlerischen Ansatz an. Ohne Zweifel haben es die modalen Tonskalen dem Portugiesen stark angetan. Im ersten Satz „Ritornello groove’s“ vereinen sich messerscharfe rhythmische Konturen mit harmonischem Feinsinn. Die raffinierte Strukturierung der Klangfarben, unterstützt vom präzise zischelnden Highhat und gelegentlich polterndem Schlagwerk, schafft bei jeder Gelegenheit packende Direktheit. Der zweite Teil bietet impressionistische Klangflächen als Kontrast, bevor das Finale mit kraftvollem Groove seinem Titel „For Miles“ gerecht wird, wobei ebenso Assoziationen an das markante Bluesfeeling der Arrangements eines Charles Mingus naheliegen könnten. Der Solist in diesem Stück José Redondo löst die Tuba mit eindrucksvollem Verve aus jeglicher klanglichen Schwere. Ausdrucksstark improvisierend, manchmal geradezu fauchend, gibt er dem häufig unterschätzten Instrument eine überraschende Beweglichkeit.
Auf den Jazz folgen ernstere Klänge von Nuno Corte Real
Mit „Luar Galego“ für Cello und Streicher erfolgt ein kompletter Stimmungswandel. Angeregt von einem Gedicht José Régios, entwickelt Cellistin Nadège Rochat ein nuancenreiches Spiel voller lyrischer Intensität und zeitweise tiefer Emotionalität. In 15 Minuten durchschreitet sie ausgedehnte Klanglandschaften und emotionale Wechsel. Energische Ausbrüche wechseln mit tänzerischen Impulsen und zarten Impressionen. Bemerkenswerte rezitativische Solopassagen unterstreichen die expressive Spielweise dieser frankoschweizerischen Musikerin. Die „Elegia“ für Klavier und Orchester präsentiert ein vergleichbares, tiefgründendes Farbspektrum, worin wiederum charakteristische Harmonien und Klangfarben aufscheinen, durch welche sich Nuno Côrte-Reals Musiksprache identifizieren lässt. Intensiv gestaltet sich hier ein Austausch zwischen Klavier und Orchester, der nicht ausschließlich in seinen eruptiven Passagen direkt berührt. Raúl da Costa setzt sich mutig mit seinem Klavierbeitrag gegenüber den melancholisch timbrierten Streichern und dem pathetischen Blechklang durch – umso fesselnder wirken die Augenblicke der Ruhe.

In sämtlichen drei Werken offenbart sich Côrte-Reals Könnerschaft im orchestralen Kolorit – geprägt durch seine umfassende Erfahrung als symphonischer Dirigent – in fortwährend variierenden klanglichen Perspektiven.“Kind of Classic“ demonstriert überzeugend, dass zeitgenössische Musik unmittelbar ansprechen kann, ohne dabei Zugeständnisse bezüglich der künstlerischen Substanz zu machen. Dieses neue Album präsentiert eine facettenreiche Musik voller Hingabe, welche die Hörenden ohne Umwege erreicht. Die exzellente Tonqualität des Albums trägt maßgeblich zum akustischen Genuss bei.