Das neue Album „Szenen ohne Worte“ des Pacific Quartet Vienna entfaltet sich als berückende klangliche Odyssee durch die kammermusikalischen Welten dreier Opernmeister. In ihren Händen werden die Streichquartette von Mozart, Donizetti und Verdi zu intimen Klanglandschaften, in denen die theatralische Größe der Oper eine Metamorphose ins Kammermusikalische erfährt. Die vier Musiker – Yuta Takase, Simon Wiener (Violinen), Chin-Ting Huang (Viola) und Sarah Weilenmann (Violoncello) – kommunizieren dabei im tiefen Konsens und mit tiefer interpretatorischer Sensibilität.
Mozarts „Dissonanzen-Quartett“ KV 465 eröffnet das Album mit einem echt „revolutionären“ Klangexperiment, das die Zeitgenossen zutiefst verstörte. Die ersten 22 Takte der Einleitung – vom Pacific Quartett in moderner, vibratoloser Analytik ausgekostet – ließen damals die Gemüter steil gehen: Ein italienischer Käufer sandte die Noten an den Verleger zurück, da er in ihnen Fehler vermutete. Andere Zeitgenossen zweifelten gar Mozarts Kompetenz an. Dabei nimmt Mozart aus heutiger Sicht mit dieser Einleitung die frühe Moderne im 20. Jahrhundert vorweg mit diesem einem verstörenden Geflecht aus dissonanten Sekundreibungen und schwebenden Akkorden. Gerade dieser befremdliche Kontrast zur kristallinen Klarheit der folgenden Sätze scheint Mozarts geniale Intention: Durch das Durchschreiten harmonischer Finsternis wird danach das strahlende C-Dur wirklich erfahrbar. Der Nebel lichtet sich und von diesem Moment an macht das Pacific Quartet Vienna hörbar, wie italienische Gesanglichkeit und deutsche Architektur zu einem vibrierenden Organismus verschmilzt.
Pacific Quartet Vienna: Die Kunst der vokalen Transformation
Auch in Gaetano Donizettis selten gehörtem Streichquartett Nr. 17 spürt das Wiener Ensemble der Kunst einer vokalen Transformation ins Instrumentale mit Feinsinn und hervorragender Artikulation nach. Da atmen die Phrasen durchaus eine Belcanto-Tradition, verfallen jedoch nie in oberflächliche Operngestik. Mit subtilen Farbabstufungen und einer geradezu sprechenden Artikulation zeichnen die vier Musiker ein kommunikatives Klanggewebe. Das Larghetto cantabile wirkt wie ein berührendes Kammerdrama: Sarah Weilenmanns Cello – samtig im Ton, doch stets fokussiert in der Aussage – bildet den emotionalen Anker für die leuchtenden Kantilenen der höheren Streichinstrumente, sodass ein kollektives Atmen den Hörer in seinen Bann zieht.
Giuseppe Verdis einziges Streichquartett, entstanden während der „Aida“-Proben, erweist sich als vielschichtigste und komplexeste Offenbarung dieser neuen Einspielung. Das Pacific Quartet Vienna navigiert durch dieses Werk mit sicherem Kompass für die Dialektik zwischen kammermusikalischer Intimität und operndramaturgischer Geste. Mit eine Klangfülle, mit der dieser dritte Programmpunkt der großen Opernbühne definitiv am nächsten kommt. Der Kopfsatz besticht durch transparente Strenge, die dennoch feine Charakternuancen ermöglicht. Im Andantino entfaltet sich ein spannendes Wechselspiel zwischen Walzereleganz und expressiver Kantabilität, jede Wendung klar artikuliert und doch fließend. Sarah Weilenmanns Cellokantilene im dritten Satz wird zum ergreifenden, quasi-vokalen Monolog. Das fugierte Finale überrascht durch seine kontrapunktische Architetonik – eine unerwartete Facette des Opernmeisters Verdi, die das Ensemble mit technischer Brillanz und tiefem Verständnis zum Leben erweckt.

Die Aufnahmeästhetik umhüllt diese interpretatorischen Kostbarkeiten mit einer Klangaura von natürlicher Wärme und räumlicher Präsenz. Die Instrumente positionieren sich wie Charaktere auf einer imaginären Bühne, verbinden sich jedoch in organischen Klangbrücken zu einem lebendigen Ganzen. In letzter Instanz ist es das außergewöhnliche Ensemblespiel, das diese Einspielung zu einem Ereignis macht – souverän austariert zwischen intellektueller Durchdringung und emotionaler Unmittelbarkeit und zwischen historischem Bewusstsein und interpretatorischer Gegenwärtigkeit.