Die Flötistin Nolwenn Bargin lebt heute in der Schweiz, fühlt aber immer noch eine große Nähe zu ihrer bretonischen Heimat. Dort, wo das Land im äußersten Westen des Kontinents zuende ist, weht immer ein rauer Wind – vielleicht kein Zufall, dass es diese Musikerin ein „wind instrument“, so die englische Bezeichnung für diese Instrumentengattung, bevorzugt? Den starken Bezug zu Landschaft und Natur teilt Nolwenn Bargin mit dem französischen Komponisten Philippe Gaubert, denn dem hat sie zusammen mit ihrem Ensemble „Le Chant du Vent“ ihr aktuelles CD-Album gewidmet.
Tiefer blicken
Philippe Gaubert war zu seinen Lebzeiten viel beschäftigt, vor allem als Dirigent an der Pariser Oper. Ebenso stieh er als begabter Flötist auf viel Beachtung. Viele seiner Stücke sind heute als Übungs-, Probevorspiel- und Wettbewerbs-Repertoire gebräuchlich. Nolwenn Bargin wollte tiefer blicken. Also hat sie sich für diese Produktion in die Vita des Komponisten hinein vertieft, was ihr erst den Blick für Philippe Gauberts wahres Anliegen öffnete: Gaubert, der gerne mehr Zeit und Muße zum Komponieren gehabt hätte, legt in seiner kunstvoll gearbeiteten Kammermusik sein tiefstes Inneres offen.
„Sicilienne“, „Fantasie“, „Medailles antiques“ heißen die Stücke für variable Besetzungen. Manchmal auch „Esquisses“, (also Zeichnungen) oder „Aquarelles“, was auf zarte Tonmalereien hindeutet – und ebenso klingt. Durchaus mutet all dies „impressionistisch“ an. Aber der musikalische Impressionismus des Philippe Gaubert dringt nicht so weit wie bei seinem „Kollegen“ Claude Debussy in die Moderne vor. Flächenklänge oder kühne Dissonanzharmonik sind eher zaghaft ausgeprägt. Dafür lebt umso mehr eine träumerische Empfindsamkeit und viel innige Wärme im Melos.
Interaktion mit Nolwenn Bargin
Nolwenn Bargin, die wohl zu den besten Flötistinnen gerechnet werden darf, steht gar nicht so sehr solistisch über allem, geht es doch in erster Linie um wechselnde Interaktion mit den Ensemblemitgliedern. Faszinierend zum Beispiel, wie Violine und Flöte zu einem Gesamtklang verschmelzen oder wie anderswo fast schon orchestrale Wirkungen entstehen. Die Leichtigkeit der Interaktion lässt manchmal vergessen, welche Anforderungen dahinter stehen müssen. Bei vielen virtuosen Melodienbögen fragt man sich, wo Nolwenn Barginn und auch die Oboistin Maria Sournatcheva überhaupt noch Momente zum Luftholen finden.
2 Kommentare
Erstmal ein herzliches Dankeschön für das CD-Review von Philippe Gaubert – Chamber Music. Ich habe es mir auf qobuz in Hi-Res Audio angehört und und bin begeistert von dieser CD, es wird einer meiner Lieblings CDs werden.
Liebe Grüße, Peter R.
Vielen Dank für das nette Feedback!