Einfach Klassik.

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CD-Review: Pia Davila – Dolente Partita  – Madonne e Maddalena

Interessante Kooperationen sind eines der beliebtesten Zugpferde bei der Planung von Klassikalben. Zusammen mit der Wahl der Epoche und einer überlegten Programmierung wird daraus dann ein Projekt, das bei Gelingen Hörer*innen gewinnen kann. Wenn also die kreative und projektfreudige Sopranistin Pia Davila sich der Epoche des Frühbarock zuwendet, dazu mit dem Ensemble “Musica getutscht” absolute Expert*innen für diesen Zeitraum bekommt, und mit “Dolente Partita  – Madonne e Maddalena”, Stücken von Claudio Monteverdi und Zeitgenossen, ein klar umrissenes Programm setzt, dann sind diese Parameter erfüllt.

Expertise pur

Alte Musik ist eine besondere Epoche, die sich beim Hören über Hintergrundwissen freut, und deren Aufführung historische Information und Forschung schon fast voraussetzt. “Musica getutscht” wurde im Jahr 2020 speziell zur Aufführung und zum Spiel der Werke des Frühbarock und der Renaissance gegründet, und hat sich unter der Leitung des Lautenisten Bernhard Reichel schnell Namen und Kompetenz in diesem Bereich erspielt, inklusive der Betreuung eines Musikzyklus in Bremen und Oldenburg. Expertise pur also für eine Aufnahme wie die vorliegende. 

Musica getutscht
Musica getutscht

Die ausgewählten Stücke datieren ins ausgehende 16. Jahrhundert, die Zeit der kulturellen Gegenreformation, in der die Komponisten sakrale Inhalte mit den damals bestehenden Mitteln weltlicher Werke umsetzen wollten, sozusagen eine Art Rückfluss stilistischer Mittel von weltlichen in kirchliche Sphären. Im Speziellen bedeutete dies die neue Möglichkeit die Situation sakraler Figuren wie zum Beispiel der Maria nicht aus einer neutral-entfernteren Historienperspektive zu beschreiben, sondern ganz konkret die Gefühlswelten der dargestellten Personen auszudrücken und zu zeichnen.

Pia Davila spielfreudig

Und hier kommt Pia Davila ins Spiel, denn genau dieser Aspekt war für Sie in Entscheidung und Ausführung dieses Projektes ausschlaggebend. Trifft sich ja auch sehr gut, denn mit ihrem großen Dynamik-, Ton- und Timbreumfang hat die Sängerin zum einen beste Voraussetzungen zur vielfältigen Darstellung emotionaler Schicksale, und zum anderen passt das Vorhaben generell gut zu ihrer spielfreudigen Natur. 

Bleibt Pia Davila am Anfang von Monteverdis „Salve Regina“ noch sehr getragen so baut sie diese Stimmung in Giovanni Rovettas „O Maria Quam purchase es“ weiter aus, hin zu in Timbre und Vibrato intensiver intonierten höheren Lagen. In diesem Stück ist es besonders beeindruckend hörbar wie gekonnt Pia Davila mit den Frequenzcharakteristika ihrer Stimme spielt, um die Emotionen der Zuhörer*innen anzusprechen. Gerade die ersten Töne baut sie durch perfekte Vibrato- und Dynamiksteuerung so kunstvoll auf, dass sie fast unwirklich erscheinen. Julius Lorscheider begleitet die Sängerin dabei an der Orgel mit so viel gebundener Andacht und Konzentration, dass die Stimme ideal agieren und wirken kann, aber dennoch in diesen faszinierenden harmonischen Kontext gesetzt wird. 

In Tarquinio Merulas „Canzonetta sopra la nanna“, das als Wiegenlied der Mutter Maria die das Jesuskind in den Schlaf wiegt angelegt ist, singt Pia Davila mit sanftem Einfühlungsvermögen, und setzt kunstvoll die Endnoten von Gesangszeilen mit leichtem Vibrato, ausgehaucht, aber mit hohem Timbre. 

Pia Davila, Foto @ Andrej Grilc
Pia Davila, Foto @ Andrej Grilc

Dieser große Fokus Davilas auf Tonformung zieht sich durch alle von ihr gesungenen Stücke. Die langgezogenen Töne in Quagliatis „Aria sopra la Romanesca“ verlangen da besonders viel Planung und Modellierungsfähigkeiten. Und als Gegensatz dazu singt die Sopranistin dann einige wenige Töne völlig gerade und ohne Verzierung an, ein wirkungsvoller Kontrast. Weit mehr als Begleitung ist dabei das Ensemble, das mit fein abgestimmter Agogik vor allem in den Verzierungen richtiggehend durch die Arie schreitet, und die darin thematisierte Sehnsucht nach Jesus so zeitgemäß darstellt.

Starke Kooperation – griffige Mischung

„Musica getutscht“ bekommt im Rahmenprogramm der CD viele Wirkmöglichkeiten. Die Sinfonien und Sonaten des italienisch-jüdischen Komponisten Salamone Rossi unterhalten mit den vielen von der Barockgeigerin Mechthild Karkow und dem Flötisten Claudius Kamp gekonnt ausgeführten Verzierungen, frohen und frischen Wechselspielen und von hoher Synchronität bestimmter Eingespieltheit.

Diese griffige Mischung aus Gestaltungsfreude und Fachkunde auf dem Album “Dolente Partita  – Madonne e Maddalena” von Pia Davila und „Musica getutscht“ bringt mich in ein wohliges und warmes Gefühl der Besinnlichkeit und Reflexion, genau das Richtige für unseren heutigen Alltag.

Titelfoto © Andrej Grilc

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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