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Einfach Klassik.

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CD-Review: Pia Davila & Linda Leine – “Irgendwo auf der Welt”

Über das Konzert von Pia Davila und Linda Leine in der Kleinen Fleth-Philharmonie hatte ich ja bereits berichtet, die dort vorgestellte CD ist aber für mich eine eigene Vorstellung wert. Ich mag es wenn Veröffentlichungen oder Konzerte mehrere Facetten haben. Und derer gibt es so viele wenn man die beiden Musikerinnen in ihren Werdegängen und musikalischen Interessen betrachtet. Das Hauptanliegen von “Irgendwo auf der Welt” ist die Sammlung von Liedern, die aus der Feder von Komponist*innen stammen, deren Lebenswege schwierig, und oft von Repression und Mord im dritten Reich geprägt waren. Um diese wunderbare Musik nicht nur darunter zu subsumieren haben Pia Davila und Linda Leine vor allem  fröhliche Werke ausgesucht, um auch den Humor dieser Lieder und damit ihren unabhängigen Anspruch darauf, programmiert zu werden, zu betonen.

Pia Davila und Linda Leine erzählend

Ein weiterer Aspekt der CD ist aber auch das Motiv von Tieren, das in vielen Stücken angesprochen wird. Als Repräsentanten der Natur im allgemeinen sind Tiere und ist Tierisches uns allen nicht fern, und kommt hier in verschiedener Ausprägung, zum Beispiel gefiedert in „Das Täubchen flog vorüber“ von Joseph Achron in dem Linda Leine ihr Können in sehr agilem, eher romantisch geprägtem Spiel ausführen kann, womit sie gleichzeitig kunstvoll das Täubchen flattern lässt, aber auch Pia Davila die Möglichkeit gibt darüber in langen, aufwendig modellierten Tönen die oftmals fragende Harmonik auszuleben. Beide Musikerinnen erfreuen mich dabei mit der hohen Eingespieltheit, die sie in den Jahren ihrer Zusammenarbeit erschaffen haben. Diese Eingespieltheit läuft auf mehreren Ebenen ab, einmal in spannendem Themenpingpong, dann aber auch in der akkuraten Angleichung von Stimmungsverläufen, wenn sie zum Beispiel in Schönbergs „Im Fliederbusch ein Vöglein saß“ ganz beschaulich und klein interpretieren, dann aber in „Die fünf Hühnerchen“ von Erich Zeisl ganz trotzig erzählend spielen. Man erkennt immer gut das Konzept der beiden, und interpretatorisch gehen sie Hand in Hand durch die Platte. Auch wenn manches Lied nicht sofort taktisch klar wird. Der morbide, beissende Humor von Georg Kreislers „Frühlingslied (Tauben vergiften)“ ist nicht deutlich und mit dem Holzhammer umgesetzt, sondern eher noch lieblich und fröhlich. Da musste ich schon genauer hinhören um Davilas und Leines Ansatz zu erkennen.

Alles Fröhliche und Humorvolle kann nur sein, wenn es ein Gegengewicht gibt. Auch das setzen Pia Davila und Linda Leine auf „Irgendwo auf der Welt“ mit den vier Stücken über den Regen, beginnend mit Erich Zeisls „So regnet es sich langsam ein“ in dem die Musikerinnen mit langsamem Schritt die widersprüchlichen Gefühle und Harmoniken der Komponisten mit vorsichtigen Tonansätzen beeindruckend verdeutlichen. Direkt anschliessend folgt „Regentag“, auch von Zeiss. Ein wunderbarer Aspekt, den ich bisher verschwiegen habe, sind die auch auf der CD befindlichen Solostücke für Klavier, die Linda Leine mit viel pianistischem Geschmack, und doch in perfekter Harmonie mit dem Albumkonzept spielt. Dieses Stück aus Erich Zeisls „8 Stücke für Klavier“ klingt fast schon wie ein Paradestück Leines, so gern und überzeugt scheint sie es zu spielen, und sie setzt damit die Demonstration des eigenwilligen Charakters des Komponisten direkt fort. 

Räumlich tonformend

Mit „Und der Regen rinnt“ von Ilse Weber und „Regen“, einmal mehr von Zeisl geht es dann noch leisetönig weiter, doch spätestens mit „Ich bin ein Vamp!“ Von Mischa Spoliansky sind Leine und Davila dann wieder zurück auf der Spur der launigen, hinterkünftigen Varieteeunterhaltung. Und bei den Tieren, denn mit „Warum leckst du dein Mäulchen“ von Othmar Schoeck und „Pantherlied“ von Rudi Stephan wird es katzig. Linda Leine begleitet hier pointiert, spitz und beweglich, und bildet wieder den perfekten Gegenpart für die sehr räumlich tonformende Pia Davila, die sich damit dem Habitus des besungenen Getiers ideal annähert.

Pia Davila & Linda Leine, Foto © Arturs Kondrats
Pia Davila & Linda Leine, Foto © Arturs Kondrats

Mit Liedern von Ursula Mamlok, Ruth Schöntal und Rosy Wertheim gibt es dann noch einen weiteren kleinen Block von Komponistinnen aus jener Zeit, deren Lieder die unterschiedlichen Schicksale der drei Frauen illustrieren, und sie geben einen weiteren Hinweis darauf, was es auf diesem Album noch alles zu entdecken gibt.

Mit „Irgendwo auf der Welt“ präsentieren Linda Leine und Pia Davila ein Album, das nicht nur durch die erstklassige künstlerische Ausführung besticht, sondern das auch mit einem multidimensionalen Programmkonzept begeistert.

Titelfoto © Arturs Kondrats

Die Tracks

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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2 Kommentare

  1. Moin, was für eine schöne Seite und dazu noch eine neue Version von den „Tauben“, die ich schon vom Kreisler geliebt habe. Kennengelernt durch den Großvater meiner großen Liebe aus und in Wien.
    Weiterhin viel Gesundheit, Kreativität und Optimismus und herzlichen Gruß an Pia Davila und Linda Leine falls die Damen das hier lesen sollten. Jürgen Naeve

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