Einfach Klassik.

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CD-Review: Quatuor Tchalik – „Mozart“

Das Quatuor Tchalik war nun schon öfter Thema hier bei Orchestergraben. In der Welt der klassischen Musik ist das Spiel- und meist auch das Programmniveau sehr hoch; da ist es immer sehr beeindruckend, wenn besondere Leistungen noch einmal extra herausstechen. Quatuor Tchalik schaffte das in der Vergangenheit für mich schon öfter mit seinem mitreißenden Spiel. Das Streichquartett aus Frankreich mit ukrainischen Wurzeln musiziert schon seit langem als Familie miteinander und hat damit eine selten gehörte Eingespieltheit entwickelt.

Die nächste CD des Ensembles heißt „Mozart“, auf der die Geschwister drei Streichquartette des Komponisten versammeln. Nun gibt es in der Streichquartettliteratur vielleicht andere Werke, mit denen man noch schneller Aufmerksamkeit erhalten könnte. Warum wählt dieses Ensemble dann gerade Mozart?

Quatuor Tchalik, Foto Ⓒ Claire Douieb
Quatuor Tchalik, Foto Ⓒ Claire Douieb

Beim Hören wird schnell klar, warum diese Wahl sehr klug ist. Quatuor Tchalik zeigt auf „Mozart“ eindrucksvoll, wie fesselnd und energievoll man diese Musik umsetzen kann. Die drei Werke stammen aus unterschiedlichen Phasen des Komponisten, beleuchten also nicht eine bestimmte Schaffensperiode näher. Das wird auch im Verlauf der CD deutlich, aber tatsächlich verblüfft mich, wie der eindrückliche Stil des Quatuor Tchalik das ganze Programm letztlich wieder vereint.

Quatuor Tchalik mit Witz und Spitzfindigkeit

Während das Quartett Nr. 17 B-Dur KV 458 „Jagdquartett“ Mozarts Vorbild für diese Werkgattung, Joseph Haydn, gewidmet ist, verströmt es auch eben diese unbekümmerte Freude und sorglose Verspieltheit. Das Ensemble spielt das mit Witz und filigraner Spitzfindigkeit. Bemerkenswerte Melodien sind in diesem Werk noch etwas basaler und blockhafter, was die Musiker*innen auch exakt so darstellen. Sie werden damit der Musik auf ehrliche Weise gerecht und färben nicht um. Vielmehr legen die Violinen viel Gefühl und Planung in die Phrasierungen vordergründiger Melodien, um zeitgleich von Cello und Bratsche mit leichtfüßigen Staccati begleitet zu werden. Auffällig ist bei diesem Werk noch die Umsetzung des dritten Satzes „Adagio“, den die Streicher sehr besinnlich und festlich gestalten. Vor allem die wirklich im Detail genau gesetzte Agogik beeindruckt mich hier sehr. Um das zu viert so zu machen, muss man entweder extrem viel üben oder man spielt eben schon seit Jahrzehnten zusammen. Oder beides. So ergreift mich dieser Satz auf eine eigentümlich friedliche, aber auch etwas traurige Weise.

Für mich das beeindruckendste Werk ist aber das zweite Quartett Nr. 20 D-Dur KV 499 „Hoffmeister“. Das ist Streichquartettkomposition auf ihrem Höhepunkt, und das Quatuor Tchalik scheint hier voll und ganz in seinem Element zu sein. Die sehr prägnanten musikalischen Themen, die sich über Dur und Moll spannen und die manchmal in Frage-Antwort-Strukturen gesetzt sind, tragen die Musiker*innen mit beeindruckender dynamischer Agilität vor, die noch durch sehr temperamentvolle Strichtechniken und plastische Phrasierungen gesteigert wird. Eine große Stärke aller im Quatuor Tchalik ist die Kontrolle von Einschwingphasen und Tonanfängen. Das ermöglicht dieses nicht nur akkurate, sondern auch sehr detailvariable Zusammenspiel, das in den schnellen Tonfolgen des zweiten Satzes „Menuett e Trio. Allegretto“ einen Höhepunkt erreicht.

Kaum zu bändigen

Starkes Ensemblespiel zeigt das Quatuor Tchalik dann noch im Abschlusssatz dieses Werkes, wenn fast immer mehrere konkurrierende Stimmen fröhlich und ungestüm um die Aufmerksamkeit der Hörerinnen buhlen. Die Energie der vier Musikerinnen ist hier zeitweise kaum zu bändigen.

Quatuor Tchalik, Foto Ⓒ Steve Murez/Ateliers-musée Chana Orloff
Quatuor Tchalik, Foto Ⓒ Steve Murez/Ateliers-musée Chana Orloff

Das Quartett Nr. 22 B-Dur KV 589 „Preußisches Quartett“ zeigt dann noch eine Weiterentwicklung dieser Gattung, die bisherige Streichquartetttraditionen in kleinere Stimmengruppen verlagert und sich so zu neuen Strukturen bewegt. Mit viel Lust an Gestaltung und viel Spielfreude führt das Ensemble durch mannigfaltige Erzählstränge und zeichnet diese wieder sehr agil.

Wunderbar und eindrucksvoll gelingt das „Larghetto“ des zweiten Satzes, sehr getragen und kantabel, mit viel Respekt vor der Ausdruckskraft dieser Melodien, die auch sehr raumfüllend vom Cello gestaltet werden. Im „Allegro assai“ bringt das Quatuor Tchalik das Album dann zu einem kraftvollen Schluss, wieder in fast schon beängstigender Synchronität und Akkuratesse.

Dieses Album ist eine charaktervolle und gestaltungsstarke Mozart-Einspielung, die fesselnd und begeisternd zugleich ist.

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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