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CD-Review: Sebastian Manz, Herbert Schuch – Brahms Schumann Gade

Für den Betrieb dieses Blogs beschäftige ich mich sowohl mit einer großen Menge an Musikaufnahmen, die ich ständig sichte und höre, als auch mit unserem Auftreten in den verschiedenen sozialen Medien. Da ist die Gefahr groß, die Aufmerksamkeit für ein Thema drastisch zu reduzieren, und stattdessen eine größere Zahl an Informationen und Medien zu verarbeiten. Interessant und bemerkenswert bleibt dann nur das , was die Aufmerksamkeit schnell einfängt, optische Reize, schnelles, schlagkräftiges Marketing, und Produktkonzepte die leicht und zügig zu erfassen und zu verarbeiten sind. Die Klassikalben mit den besonderen, vielleicht knallig-optischen Albumcovern stechen in einer großen Menge früher ins Auge. Biegt man ab auf diesen Weg, dann ist die Gefahr groß, viele wertvolle Erlebnisse zu verpassen, die nicht gleich offensichtlich sind, musikalische Schönheiten, die man sich erst erschliessen muss. 

Sebastian Manz, Herbert Schuch Album Cover

Die vorliegende Aufnahme von Sebastian Manz an der Klarinette und Herbert Schuch am Klavier wäre mir fast durchgerutscht. Ich hatte sie schon auf den Stapel gelegt, den ich nicht bespreche. Aber so wie man manchmal etwas aus dem Augenwinkel sieht, und dann instinktgesteuert zu einer Szene oder einem Ort zurückkehrt, so bin ich doch nochmal zu dieser CD zurückgekommen, mit so einer Ahnung. 

Auf den ersten Blick wirkt “Brahms Schumann Gade” erstmal unscheinbar. Sicherlich spielen hier zwei erfahrene, weltbekannte und hoch ausgezeichnete Interpreten ein zutiefst ernsthaftes, klassisches Programm auf allerhöchstem Niveau. Aber beim Programm geht es schon los. Wie ich neulich hier im Blog bereits schrieb, ist es gerade ein wenig in Mode, in der Werkauswahl einer Aufnahmeveröffentlichung Epochen und Stile zu mischen. Da ist die sehr klassisch ausgerichtete Zusammenstellung dieser CD mit Sonaten und Fantasiestücken von Johannes Brahms, Robert Schumann und Niels Wilhelm Gade für den Klassikkenner in gewisser Weise wieder erfrischend, aber es ist eben auch sehr ernsthaft. Auch wenn die enthaltenen Stücke beliebte Schönheiten und Kleinode sind. Hier fehlt dennoch Alte Musik komplett, und Zeitgenössisches sucht man vergeblich, ganz zu schweigen von Anleihen aus der populären Musik.

Sebastian Manz, Herbert Schuch, Foto © Nikoilaj Lund
Sebastian Manz, Herbert Schuch, Foto © Nikolaj Lund

Sebastian Manz und Herbert Schuch bescheiden

Weiterhin haben beide Musiker ihre ureigenen Gründe, warum sie mit dieser Aufnahme allein spielerisch nicht lautstark klappernd ihr Produkt bewerben, sondern eher bescheiden ihr hohes Können unprätentiös wirken lassen. Herbert Schuch spielt auf einem 100 Jahre alten Steinway Flügel, der bei der Aufnahme vor Ort verfügbar war. Dessen Klang ist nicht so hell und klar wie der neuerer Steinway-Exemplare, dafür klingt er weich und lieblich, was Schuch bewusst für seinen konzentrierten und auch reduzierten Vortrag nutzt. Er bleibt bei dieser Aufnahme ganz Duopartner und Gruppenspieler, und das vor dem Hintergrund der anspruchsvollen Literatur. 

Bei Sebastian Manz funktioniert das Albumkonzept auf recht einfache Weise. Über den “weichen Ansatz” beim Klarinettenspiel zu schreiben ist mittlerweile so überstrapaziert, dass man es sich gar nicht mehr traut. Ich hatte aber das Glück, während meiner gesamte Kindheit und Jugend meinem Vater regelmäßig beim Klarinetteüben zuhören zu können, und daher habe ich eine Ahnung, wie schwer es ist zu einem weichen Ansatz zu kommen. Für Sebastian Manz ist das natürlich eine Grundlage seines Spiels, und er setzt sie auf diesem Album bewusst und sehr häufig ein, um seiner Stimme sehr große Dynamik und oft Zurückhaltung zu geben. 

Als Rahmen am Anfang und Ende der CD stehen die Klarinetten-Sonaten von Brahms Op. 120, die mitten in seinem langen Abschied vom Komponieren entstanden sind. Sebastian Manz und Herbert Schuch betonen dabei meiner Meinung nach nicht nur komplexe, kompositorische Tiefe, sondern eben diese leicht süßliche Melancholie, die den beiden Werken innewohnt, zusammen mit der für Brahms Spätphase typischen Reduktion auf Wesentliches. Nüchternes Spiel der beiden Musiker mit der Konzentration auf die Perfektion grundlegender Spieltechniken werden Komponist und Werk mehr als gerecht. Gerade im zweiten Satz – Allegro appassionata – der Es-Dur Sonate legen sie die wehmütigen Melodien jovial in den Raum, und geniessen beim spielen förmlich die entspannten, versonnenen Momente.

Agilität und Erfahrung

Und an diesem Punkt wird dann doch wieder ein größeres Konzept für die Werkauswahl erkennbar, denn auch die anderen ausgewählten Stücke zeichnen sich durch einfache Schönheit in handwerklicher Perfektion aus. Schumanns Fantasiestücke Op. 73 legen Schuch und Manz mit Ruhe und Gelassenheit an, eine Haltung die man vielleicht erst so richtig mit der entsprechenden Erfahrung erreichen kann, deren Zustand sich dann aber umso besser anfühlt. Dann ist es den beiden Musikern möglich die vielen lang entwickelten Schumannschen Melodie- und Harmoniethemen Seit an Seit mit Bedacht zu durchschreiten, und den Klang atmen zu lassen. Das klingt dann streckenweise richtig einfach. Ist es aber natürlich nicht, denn wieviel Handwerkskunst in jeder Millisekunde dieser Aufnahme steckt, zeigt sich dennoch ständig in vielen Details. Wenn Sebastian Manz und Herbert Schuch blitzschnell für kurze einzelne Themen in perfekter Abstimmung aufeinander zusammen finden, im nächsten Moment dann aber wieder eigene Aspekte gestalten. Gerade bei den Fantasiestücken ist diese Agilität, und vor allem Herbert Schuchs große kammermusikalische Erfahrung sehr wertvoll, und machen die Aufnahme umso hörenswerter.

Sebastian Manz, Herbert Schuch, Foto © Nikoilaj Lund
Sebastian Manz, Herbert Schuch, Foto © Nikolaj Lund

Genauso wie der Gesamtklang, der sehr schön abgestimmt ist, und der auch noch von einem wunderbaren Raumklang gekrönt wird. Wie in diesem Blog zu lesen, kann sowas auch bei großen Klassikproduktionen gehörig schief gehen. Für die vorliegende CD wurde aber der Angelika-Kaufmann-Saal im österreichischen Schwarzenberg ausgewählt, der für Besetzung und Genre wirklich ein Volltreffer ist, mit passender Raumgröße und sehr warmem Abklingverhalten.

Dieses Album ist ein echter “Grower”, je öfter ich es höre, desto besser gefällt es mir. Man muss das schon wollen, sich öffnen und auch Zeit nehmen, aber dann wird man umso reicher belohnt, auch mit dem wohligen Gefühl, nicht so viel Menge, dafür aber umso höherwertig konsumiert zu haben.

Titelfoto © Nikolaj Lund

Die Tracks

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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