Wenn die georgische Pianistin Shorena Tsintsabadze ihr aktuelles Soloalbum „Dedication“ nennt, dann ist dies das Resultat einer tiefen musikalischen wie historischen Reflexion. Dedication, zu deutsch Widmung bezieht sich vor allem auf den persönlichen Draht, den zwei der wichtigsten Komponisten im 19. Jahrhundert zueinander hatten: Robert Schumann und Franz Liszt. Robert Schumann dachte viel über seinen jüngeren Kollegen Franz Liszt nach, was aus vielen seiner Publikationen hervorgeht. Darüber hinaus komponierte er für ihn und widmete ihm seine dreiteilige Fantasie C-Dur opus 17. Franz Liszt „antwortete“ später in ganz anderem Tonfall mit seiner großen h-Moll-Sonate.
Eine Gegenüberstellung dieser beiden ungleichen Werke auf einer CD macht schon ohne Studium der Biografien sehr unterschiedliche Charakterzüge der beiden Komponisten deutlich: Aus Schumanns Fantasie spricht nur zu gut, dass ihr Schöpfer ein nachdenklicher Intellektueller war. Hinter Liszts aufbrausender h-Moll Sonate steht ohne weiteres die exzentrische Persönlichkeit ihres Urheber, die aber viel ambivalenter als in landläufiger Vorstellung daherkommt. Vor allem, weil gerade Liszts h-Moll-Sonate einen grundlagenden innern Wandel ihres Urhebers markiert– weg vom brillanten Publikumsliebling und hin zu einem religiös abgeklärten, fast schon erimitischen Geist.
Shorena Tsintsabadzes uneitles, umso mehr nachforschendes Spiel steht auf dieser CD ganz im Zeichen solch komplexer Psychogramme. Schumanns epische Tondichtung bekommt durch sorgsam dosierte Artikulation und weitsichtig kalkulierte Spannungsbögen eine Aura von tiefer Nachdenklichkeit. Aber Shorena Tsintsabadze lässt den Fluss der Musik, hinter der immense spieltechnische Herausforderungen stehen, nie zu zerklüftet werden. Franz Listzs h-Moll Sonate wirkt danach wie umgewandelt. Sie entfaltet eine erschütternde Bildkraft, eben so, wie das dazu gehörige Video mit seinen mysteriösen Traumsequenzen in unheimlicher Landschaft die dahinter stehende Intention in Bilder fasst. Egal, ob Komponist, Interpretin oder Hörer, alle bleiben Suchende in einem weiten Labyrinth. So wirkt das Spiel der Georgierin mit seinen ruhelosen Tempiwechseln und assoziativen Überraschungsmomenten, die so manche „romantisierende“ Konventionen gegen den Strich bürstet.
Shorena Tsintsabadze dosiert behutsam
Johannes Brahms Intermezzo A-Dur opus 118, platziert zwischen Schumann und Liszt, mutet in diesem Kontext wie ein „einfaches“ und damit zugänglicheres Bindeglied an. Aber auch das ist nur ein vordergründiger Eindruck. Gegen Ende des Lebens zieht ein Mensch ein Lebensfazit, ebenso schwingen innige Emotionen gegenüber Clara Schumann, der Widmungsträgerin dieses Stückes, mit. Shorena Tsintszabadze dosiert ihre pianistischen Mittel behutsam genug, damit dieses sanfte Stück als ein introvertiertes Fazit wirkt. Es ist im übrigen das vorletzte Werk, das Brahms überhaupt für das Klavier schreiben sollte.
Aufgenommen wurde die CD in der Wuppertaler Immanuelskirche. Die Transparenz des Klavierklanges ist vorbildlich, was der audiophilen Aufnahmetechnik zu verdanken ist. Mit entsprechender Ausstattung lässt sich die Räumlichkeit beim heimischen Hören auf die Spitze treiben weil die Aufnahme als „Super Audio CD“ im multi-channel-Verfahren realisiert wurde. Zum tieferen Verständnis hat die Pianistin ihre Überlegungen zu den Werken in einem lesenswerten Booklet-Text ausgearbeitet.