Es erscheinen zur Aufnahme: Das Mozarteumorchester Salzburg unter der Leitung von Riccardo Minasi. Qualität pur, möchte man denken. Da spielt man am besten tutti Wiener Klassik, oder vielleicht noch populäre Barockanteile dazu.
Richard Strauss als Programmwahl kommt einem da vielleicht erst als Zweites in den Sinn. Und das tutti bleibt bei dieser Platte nur ein frommer Wunsch, wurden doch zwei von Strauss Werken ausgewählt die jeweils nur grob die Hälfte des Mozarteumorchester Salzburg beschäftigen, die „Metamorphosen“ für 23 Streicher, und die große Bläsersonatine für 16 Bläser. Ein ungewöhnlicher, überraschender aber für mich sehr attraktiver Ansatz für ein Album. Gute Idee erstmal! Ich finde es aber auch sehr interessant, dass mir diese Aufteilung beim ersten Hören gar nicht aufgefallen ist, was man sicherlich mit Unachtsamkeit meinerseits begründen könnte, ich sehe da aber auch die Fähigkeit des Mozarteumorchester Salzburg, auch in Teilbesetzungen sinfonische Größe zum einen, und fesselnde Erzählstärke zum anderen umsetzen zu können. Grundsätzlich ist das natürlich auch auf Strauss Kompositionen zurückzuführen, die genau das ermöglichen wollen, aber es braucht neben allen technischen Fertigkeiten eben auch das programmatische und interpretatorische Verständnis der Ausführenden. Und bei Ensembles dieser Klasse können dann auch mal überraschende Ergebnisse entstehen.
Mozarteumorchester Salzburg mit hellen Elementen
Bei den „Metamorphosen“ steht ja erstmal die Traurigkeit thematisch im Vordergrund, verarbeitete der Komponisten darin ja seine Fassungslosigkeit über die Zerstörungen durch den zweiten Weltkrieg. Das Orchester scheint sich darauf jedoch nicht festlegen lassen zu wollen. Vielmehr geben Musiker*innen und Dirigent den vielen hoffnungsvollen und hellen Elementen starke Gewichtung, indem überraschende Wendungen zum Dur mit Andruck und Vibrato eindringlich gestaltet werden. Damit öffnen sie Interpretationsräume und halten diese über längere Melodielinien offen, so daß ich mich als Zuhörer emotional gut auf das Werk einlassen kann. Passagen im piano setzen die Streicher mit leiser Weichheit, aber trotzdem präziser Definition im Tonkörper, was die bedrückten Gefühle des Komponisten dann also nicht lamentierend etabliert, sondern eher als fragile Schwermut beschreibt. Das Ende, der Ausklang des Werkes verschwindet dann sehr gefühlvoll und doch auch hübsch im Nichts der Stille.

Mittlerweile mit Verständnis für die Werkauswahl des Albums bereichert, erlebe ich dann doch deutlich den starken Wechsel in Timbres und Toncharakteristik beim Übergang zur Bläsersonatine. Untertreibung war ja sehr en vogue bei Strauss, nicht nur bei der Bezeichung des eigentlich sehr sinfonischen Werkes als „Sonatine“ sondern auch in der Beschreibung dieses und anderer Werke. Und so beginnt die Sonatine auch eher in kammermusikalischer Beschaulichkeit, denn mit orchestraler Größe. Im Verlauf des ersten Satzes „Allegro moderato“ wächst sich das Format aber immer mehr aus, hin zu bildgebenden Akkordverläufen und operettenhaften Soloeinwürfen. Zum Ende des Satzes hin fahren Minasi und das Mozarteumorchester Salzburg den Vortrag dann immer weiter auf diese friedvolle Ebene wenn sie das Tempo in gemächlicher Verlangsamung drosseln und die weichen Melodieschlüsse immer sanfter auf dem restlichen Bläserbett landen lassen.
Alleinstellungsmerkmale dargestellt
Im zweiten Satz „Romanze und Menuett“ laufen die Künstler*innen dann ganz zur interpretatorischen Hochform auf, gestalten die wehmütigen, musikalischen Themen mit so viel luftkontrolliertem Einfühlungsvermögen, dosieren Anblasdruck mit viel Bedacht, und bringen damit einen Strauss, wie er straussiger für mich gar nicht sein könnte. Die beeindruckenden Alleinstellungsmerkmale dieser Musik werden optimal dargestellt, und die Romanzen zerreißen mir fast das Herz. Am liebsten möchte ich nach der Aufnahme noch einen Satz passender Perkussion und Schlagwerk auf die Bühne werfen, auf dass mir das Ensemble auch noch die Alpensinfonie in dieser Façon vorspiele.
Das „Finale, molto allegro“ kommt dann aber nicht furios und pompös, sondern immer noch mit Witz und Ambivalenz daher, was meiner Meinung nach dem Komponisten auch sehr gerecht wird.
Und plötzlich habe ich als Fan des Komponisten ein ganz starkes neue Strauss-Album in der Hand, das den Qualitätsanspruch von Riccardo Minasi und dem Mozarteumorchester Salzburg mehr als erfüllt, und das wohl noch eine Weile in meinem Player rotieren wird.
Titelfoto: Mozarteumorchester Salzburg © Nancy Horowitz