Es ergibt wenig Sinn, höchst populäre Werke, die zigfach aufgenommen wurden, ein weiteres mal einfach so aufzuzeichnen. Man muss Unterschied schaffen um aus der großen Zahl an Klassikveröffentlichungen herauszustechen. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, zum Beispiel eine besondere Besetzung, oder ein ausgefeiltes Albumkonzept. Am wichtigsten und wirkungsvollsten ist jedoch eine Interpretation mit viel Charakter und Persönlichkeit. Vielen Veröffentlichungen gelingt das nicht immer.
Die Pianistin Suzana Bartal hat mit ihrem neuen Album “Grieg & Saint-Saëns: Piano Concertos” dieses Vorhaben gewagt. Als Partner konnte sie dafür das Saarländische Staatsorchester unter Sebastien Rouland gewinnen, und Programm sind das Piano Concerto in A Minor, Op.16 von Edvard Grieg sowie das Piano Concerto No.2 in G Minor, Op.22 von Camille Saint-Saëns, zwei höchst populäre Werke, die wir alle mitsingen können.
Raumgreifender Klang
Dieses Album schafft es Eindruck zu hinterlassen, aber auf überraschende Weise. Das Saarländische Staatsorchester agiert durchweg sehr symphonisch, mit weitem, raumgreifendem Klang, was gerade im Grieg-Konzert sehr attraktiv wirkt, wenn Bläser und Streicher hinter dem Klavier fast cineastisch aus der Ruhe auftauchen und in die Gestaltung gehen. Gerade im ersten Satz haben die vielen Hintergrundthemen und -melodien dadurch ihren eigenen kleinen Kosmos, wodurch eine schöne Gesamträumlichkeit entsteht.

Und im Vordergrund agiert und führt Suzana Bartal. Aber tut sie das wirklich? Das Grieg-Konzert bietet der Solistin ja viele Themen, die mit viel Wucht und Effekt gespielt werden können, und das tun auch viele Pianist*innen. Bartal aber macht das nicht wirklich, sie haut nicht in die Tasten, spielt kein Theater, bildet aber dennoch die notwendige Dynamikbandbreite ab, und arbeitet ansprechend in den Dynamikspitzen. Aber nicht impulsiv, sie baut Höhepunkte organisch auf, verdichtet behutsamer, gibt der Klavierstimme selbst Raum zu atmen. Und wenn es dann zur Sache geht, wenn das Orchester im Tutti wirkt, dann ist sie da, mit unglaublicher, aber eben sehr natürlicher und musikalischer Energie. Auf diese Weise lässt es sich viel schöner mit einem Orchester spielen, als wenn man sich zur Schau stellt. Bartals Spiel zeigt sehr viel Freundlichkeit, sie zaubert Sympathie mit dem Orchester und sogar mit den Hörenden.
Suzana Bartal entspannt und erreichbar
Sie spielt weich und einfühlsam aber nicht gefällig, mit Tiefe aber nicht theatralisch. Selbst intensive, schnelle, eher energisch zu erwartende Passagen lassen immer noch Räume für das Orchester, und so entsteht im dritten Satz “Allegro moderato molto e marcato” ein richtiges Wechselspiel zwischen der Solistin und dem Ensemble, das der Pianistin wunderbare Erzählpassagen ermöglicht, die sie aber wieder mit dieser Tiefe, Entspanntheit und Erreichbarkeit begeht. Und dann führen alle dieses Konzert doch noch in ein wirklich furioses Finale, das dann aber durch die vorher so klug dosierte Energie umso eindrucksvoller wirken kann.

All das ändert sich auch im Saint-Saëns-Konzert nicht. Suzana Bartal bleibt ihrer Persönlichkeit treu, sie lädt das Orchester ein zu glänzen, und setzt eher Gegenakzente, denn abgrenzende Raumaufteilungen. Sie arbeitet Hand in Hand mit dem Ensemble, geht damit sehr kooperativ durch die vielen Geschichten die der erste Satz “Andante Sostenuto” erzählt. Und gerade die etwas wehmütigen Melodien schickt Bartal mir mit dieser Wärme direkt ins Herz, während die martialischeren Tonkaskaden bei ihr nicht so schwer, nicht so dramatisch sein müssen. Suzana Bartal nimmt uns auf diesem Album an die Hand und sagt uns dass alles gut werden wird, während die Flöten der Staatskappelle darüber schwebend mit vogelähnlichem Hoffnungsschimmer bekräftigen. Das ist schon fast einmütige Resilienz den ganzen, manchmal überfordernden Impulsketten und Geschwindigkeiten gegenüber die wir immer erleben.
“Grieg & Saint-Saëns: Piano Concertos” ist ein Album mit dem man gerne Abends ein Bier trinken gehen möchte, und das uns Hoffnung und Zuversicht bringt. Verpassen sollte man das wirklich nicht!


