Einfach Klassik.

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CD-Review: Trio Boccherini – Hungarian String Trios

Die Attribute “Dynamik” und “Leidenschaft” eilen dem Trio Boccherini voraus. Marketingmateriaiien bedienen sich gerne expressiver Wortwahl um Aufmerksamkeit zu Erzeugen. Denn eigentlich ist die kammermusikalische Ensemblelandschaft gerade im Bereich der Trios und Quartette recht voll, und es ist eine Aufgabe auf sich aufmerksam zu machen. Zusatzinformationen hin oder her, letztlich muss jede*r Musiker*in durch das Spiel selbst überzeugen. Und um das tun zu können braucht es erstmal ein Programm.

Das im Jahr 2014 gegründete Trio Boccherini wählt für seine dritte CD “Hungarian String Trios” Kompositionen aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts, die allesamt von Ungarischen Komponisten stammen. Zu dieser Zeit lebte die dortige ernste Musikszene in einem Spannungsfeld zwischen der volkstümlich basierten Musik und der deutschen Romantik. Vielleicht genau wegen der vielen Spannungen und Umbrüche stammen aus dieser Epoche einige höchst interessante Komponisten mit sehr spannenden Werkkatalogen. Die Playlist von “Hungarian String Trios” hat mich jedenfalls gleich angezogen.

Trio Boccherini
Trio Boccherini

Zu Beginn des Albums steht jedoch gleich eine ganz andersartige Überraschung, nämlich der Klang der Aufnahme. Ich begrüße es ausdrücklich dass das Album in Dolby Atmos-Qualität vorliegt, jedoch ist der Raumklang des Aufnahmeortes (Länna Church, Lännaby, Schweden) so vordergründig, dass ich mich erstmal zum Ensemble hinhören muss. Dadurch ist mir dann manchmal sogar die Ortbarkeit der einzelnen Instrumente nicht klar genug, und die Gesamtklang hat einen etwas eigentümlichen Charakter.

Perfekte Abstimmung

Dem Schaffen des Trio Boccherini tut das aber keinen Abbruch, und die drei Musiker*innen Suyeon Kang (Violine), Vicky Powell (Viola) und Paolo Bonomini (Cello) machen sich gleich im ersten Werk, dem String Trio in g-moll, Op. 6 von Leó Weiner ans Werk, um die ihnen zugeschriebenen Attribute zu erfüllen. Vor allem die hohe Agilität fällt hier auf, die von allen Dreien in Anstrich oder Anzupfen kultiviert wird. Anspruchsvoll schnelle Passagen führen die Streicher immer in perfekter Abstimmung aufeinander aus, in ruhigeren Bereichen wird das Ensemble schön erzählend, bleibt aber trotzdem sehr griffig in den Platzierungen der Töne. Durch die perfekte Balance aus Akzentuiertheit und geschlossen auftretendem Spiel in der Gruppe vergrößern die instrumentalist*innen immer wieder das ensembleigene Klangfeld und gaukeln dadurch einen größeren Klangkörper vor. Am deutlichsten wird das im “Vivace”-Satz wenn sich lange Unisono-Legatobögen und kleine tropfenartige Einzelmelodien abwechseln.

Trio Boccherini
Trio Boccherini

Im Spiel des Trio Boccherini gibt es aber noch mehr zu entdecken. Bereits kurz erwähnt ist die große Lust zum erzählen ein sehr wichtiges Element im Vortragsspektrum des Trios. Und dabei ist es besonders die deutliche Hingabe zu Melodien, die auffällt, erstaunt und dann natürlich sehr erfreut. Für Solostimmen ist das ja erwartbar, aber die Drei schaffen es vor allem auch die Nebenstimmen oder begleitenden Bewegungen so kantabel zu spielen, dass tatsächlich mehrere Ereignisräume geöffnet werden. Sehr auffällig ist diese Technik auch in Zoltán Kodálys “Intermezzo for string trio” K19 wo es erstaunlicherweise die Solostimmen dennoch immer schaffen am dominantesten zu bleiben, gerade wenn sie sich in glänzenden Höhen schwingen. 

Viel Gestaltungsfreude bei Trio Boccherini

Sehr hilfreich bei alldem ist auch diese weitere Stärke des Trio Boccherini besonders lange Töne mit viel Detail- und Gestaltungsfreude zu modellieren und ihnen Plastizität zu verleihen, und das notfalls auch gemeinsam und absolut synchron. Spieltechniken innerhalb der Töne gleichzeitig auszuführen bringt mir dann schon einen ganz besonderen Hörgenuss, und das ermächtigt das Trio dann perfekt musikalische Bilder in unsere Köpfe zu zaubern. Das “Adagio” von László Weiners “Serenade” erhält damit eine ganz besondere Erzähltiefe und hinführend und zusammen mit dem darauf folgenden “Allegro” entsteht ein etwas längerer musikalischer Erlebnis weg für die Hörer*innen.

Das Trio Boccherini zeigt durch all diese Fertigkeiten und Entscheidungen dass hier Aufmerksamkeit und Beachtung sehr angebracht sind. “Hungarian String Trios” ist voll mit begeisternder Musik und fesselnden Interpretationen und garantiert kammermusikalische Begeisterung.

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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