Im Barock, aber nicht nur da, waren Trompeten weit mehr als Musikinstrumente – sie waren lebendige Symbole politischer Macht, religiöser Feierlichkeit und höfischer Repräsentation. Die neueste Aufnahme des Danziger Trompetenensembles Tubicinatores Gedanenses unter der Leitung von Paweł Hulisz entführt uns in dieses faszinierende musikhistorische Kapitel. Dabei geht das fabelhafte Spiel dieser Danziger Musiker auf ihren Naturtrompeten in Kombination mit dem kongenialen Streichersound des Ensemble Arcus adiuncti eine Verbindung ein.
Auch und vor allem an den Wiener Kaiserhöfen war die Trompete ein unentbehrliches Instrument, das sowohl festliche Zeremonien als auch die Macht und den Ruhm der Herrscher inszenierte. Dafür waren zahlreiche Komponisten im Einsatz und ständig gefordert, etwa Franz Ignaz Anton Tuma, Wenzel Raimund, Johann Birck oder Carl Matthias Reinhardt, um für solche Anlässe neue Musiken zu schreiben. Die vorliegende Weltersteinspielung von Werken dieser Komponisten belegt das immense künstlerische Niveau, das dort herrschte – und auch die Ansprüche an die ausführenden Musiker bei Hofe müssen extrem gewesen sein. Eine weitere erfreuliche Entdeckun in diesem Programm markiert ein Auszug aus der Oper „Die beständige Argenia“, von Johann Valentin Meder. Dieser Komponist hat vor allem in Estland gelebt und mit diesem Werk die mutmaßlich erste deutschsprachige Oper der Musikgeschichte geschaffen.
Die Tubicinatores Gedanenses und das Streicherensemble Arcus adiuncti zeigen sich auf der vorliegenden Aufnahme allen hohen, daraus resultierenden Anforderungen souverän gewachsen: Lebendig, sinnlich und hochdynamisch wirkt es, wie Streicher und Bläser virtuos zwischen kontrapunktischer Strenge und emotionaler Ausdruckskraft zu changieren wissen. Das passiert mal zurückhaltend und transparent, im nächsten Moment wieder kraftvoll und weiträumig. Leichtigkeit und Eleganz des galanten Stils und strukturelle Komplexität barocker Tonarchitektur durchdringen in dieser Musik einander in herrlicher Durchsichtigkeit – ebenso, wie Streicher und Bläser als gleichberechtigte musikalische Gesprächspartner auf Augenhöhe miteinander agieren. Das alles soll schon etwas heißen, da die polnischen Musiker hier auf Naturtrompeten musizieren. Auf diesen gibt es keine Ventile, welche etwa die Tonhöhenkontrolle erleichtern. Alles geschieht mittels Lippenbewegung und Lufttechnik – in den feingliedrigen Musik für diese Aufnahme muss dies ein wahrhaft athletisches Unterfangen sein.
Die räumlich-luftige Aufnahmequalität verstärkt diesen Eindruck: Jedes Instrument wird präzise verortet, sodass die ganze Tiefendimension der Musik hörbar wird. Man vernimmt nicht nur die Noten, sondern spürt diese musikalische Interaktion, vor allem auch die sinnliche Spannung zwischen den Instrumentengruppen fast physisch.
Und deswegen ist das Hörvergnügen dieser CD, von dem man definitiv so schnell nicht genug bekommen kann, viel mehr als nur historische Rekonstruktion. Tubicinatores Gedanses und die Streicher von Arcus adiuncti bringen Licht und Leben in eine scheinbar vergessene musikalische Tradition – nicht als museales Dokument, sondern als lebendige, atmende Kunstform. Eine solche sind auch die Turmmusiken, welche normalerweise zum „Kerngeschäft“ der polnischen Trompetenspieler gehören. Wer im nächsten Sommer womöglich die Stadt Danzig bereisen sollte, sollte sich das große Turmmusikfestival, wo die Musiker phasenweise sogar von mehreren Kirchtürmen gleichzeitig spielen, auf keinen Fall entgehen lassen.