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Voyager Quartet Cover

CD-Review: Voyager Quartet – Boten der Liebe


„Ich versuche, die Charakterzüge von uns vieren in die Arrangements einzubringen. So versuche ich, dass jeder mal die Melodie kriegt, die jeder mit seinem Charakter und seinem Wesen besonders gut ausdrücken kann“  beschreibt Andreas Höricht seine Herangehensweise als Arrangeur beim Voyager-Quartett. Vier Streichinstrumente vereinen sich hier zu einer gemeinsamen Stimme. Eine Adaption von Franz Schuberts Winterreise lieferte auf der vorigen CD schon ein sensationelles Resultat. Das neue Release „Boten der Liebe“ zieht in die Gefühlswelt von Richard Wagners Wesendonck-Lieder hinein. Dazu passt eine aufs Quartettformat „verschlankte“ Tristan-Ouvertüre. Von hohem Selbstbewusstsein zeugt außerdem, wie hier diverse Kompositionen von Gustav Mahler zu einem neuen Streichquartett mit der neumodischen Bezeichnung „Mahler, Streichquartett 1.0.“ vereint werden. 

Voyager Quartet: „Es soll uns berühren, dann berührt es auch unser Publikum“ 

Für die Einspielung ihrer aktuellen CD konnten Nico Christians (Violine), Maria Krebs (Violine) Andreas Höricht (Viola) und Klaus Kämper (Violoncello) eine ideale „Basisstation“ nutzen: Aufgenommen wurde in der Villa Wahnfried, in der Richard Wagner lebte und auch Gustav Mahler ein- und ausging. 

„Es muss uns berühren, denn nur damit können wir unser Publikum berühren“ – so bekennt sich Andreas Höricht in seinem Videotrailer zur künstlerischen Aufrichtigkeit. Liebe, vor allem in ihrer melancholischen, oft enttäuschten Spielart hat sowohl Richard Wagner als auch Gustav Mahler zur kompositorischen Feder greifen lassen. Wagners Tristan-Vorspiel legt die ganze Emotionspalette für die folgende tragische Liebesoper offen. Dass es hier eigentlich gar keiner Worte mehr braucht, erkannte im übrigen auch Lars von Trier, als er in „Melancolia“ einen ganzen Kinofilm über das Weltende auf dieser Ouvertüre aufbaute. 

Die Ewigkeit ist auch in der instrumentalen Lesart des Voyager-Quartetts nahe –  die vier „Reisenden“ auf ihren Streichinstrumenten lassen kein großes Orchester mehr vermissen. Darüber hinaus zeigt sich die Stärke von Nico Christians, Maria Krebs, Andreas Höricht und Klaus Kämper: Nämlich bei aller aufblühenden Emotion die eigene Tongebung so zu kontrollieren, dass alles hellsichtig und analytisch bleibt. So etwas macht auch in den folgenden Wesendonck-Liedern klar, dass für mächtige Seelenzustände alle Wortschubladen nutzlos sind. Der neu entstandene Quartettsatz zeigt sich der reinen Gesangsduo-Besetzung durchaus überlegen, wenn sich hier gleich vier Instrumente und – mehr noch – vier tief empfindende, bestens erfahrene Musiker-Persönlichkeiten in diese Ausdruckswelten hinein fallen lassen. Denn diese erheben sich dadurch aus jedem konkreten Bezug zu einem individuellen Sänger-Charakter und können so auf noch weniger „Umwegen“ ins Innere der Hörenden vorstoßen.   


Gustav Mahlers „Streichquartett 1.0“ in Weltersteinspielung 

Es gab bislang kein Streichquartett von Gustav Mahler. Andreas Höricht hat diesen Umstand geändert: Mehrere Einzelsätze aus Mahlers Sinfonien, unter anderem das berühmte „Adagietto“ aus der Fünften Sinfonie forderten dazu heraus, einer gemeinsame Linie nachzuforschen. Auch Gustav Mahler griff aus trauriger Liebe heraus zur kompositorischen Feder. Ganz leicht, ohne Druck und in bestem Sinne zärtlich zügelt das Voyager-Quartett sein Vibrato im berühmten Adagietto-Satz, der letztlich durch seine Vereinnahmung durch das Kino weltberühmt wurde in Viscontis Film-Elegie „Tod in Venedig“.  Die „Verschlankung“ auf vier Streichinstrumente erzeugt auch in der Lesart des Voyager Quartets eine neue Transparenz. Nicht minder aufregend wirkt,  wie in den Neuarrangements durch das Voyager Quartet Gustavs Mahlers Vorausblicke auf die musikalische Moderne noch detailschärfer heraustreten. Da lässt ein strenger Kontrapunkt gerade noch so etwas wie eine Fuge erahnen, aber daraus erwächst ein dissonanzreiches Geflecht, in dem sich das Voyager Quartet neue Welten erschließt. 

Die Reise zu neuen Welten hat das Voyager-Quartett seit der Gründung im Jahr 2014 inspiriert. Sonst hätten sie sich ja auch nicht nach jenen zwei Raumsonden benannt, die im Jahr 1977 mit unbekanntem Ziel in die Unendlichkeit des Weltalls starteten. An Bord haben die Sonden ausgewählte Zeugnisse über die menschliche Kultur – vor allem eine goldene (!) Schallplatte mit ausgesuchten Musikbeispielen. Auf ihrer CD „The Golden Record“ haben sie Stücke aus diesem Repertoire zum Erklingen gebracht. 

Die Tracks

Icon Autor lg
Musik und Schreiben sind immer schon ein Teil von mir gewesen. Cellospiel und eine gewisse Erfahrung in Jugendorchestern prägten – unter vielem anderen – meine Sozialisation. Auf die Dauer hat sich das Musik-Erleben quer durch alle Genres verselbständigt. Neugier treibt mich an – und der weite Horizont ist mir viel lieber als die engmaschige Spezialisierung, deswegen bin ich dem freien Journalismus verfallen. Mein Interessenspektrum: Interessante Menschen und ihre Geschichten „hinter“ der Musik. Kulturschaffende, die sich etwas trauen. Künstlerische Projekte, die über Tellerränder blicken. Labels, die sich für Repertoire-Neuentdeckungen stark machen. Mein Arbeitsideal: Dies alles fürs Publikum entdeckbar zu machen.
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