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Einfach Klassik.

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CD-Review: Zurich Chamber Singers – Bruckner Spectrum

Ein Album neu zu entdecken, das passiert mir wöchentlich. Und es ist ein wunderbares Gefühl. Ein bisschen wie eine neue Liebe, die ganz aufregend ist, zu der man ständig zurückkehren möchte. Noch intensiver wird es dann, wenn ich ein ganzes Ensemble neu entdecke, und ich frage mich dann, warum ich es bisher verpasst habe. So ging es mir mit den Zurich Chamber Singers. Zu meiner Entschuldigung kann ich sagen, dass das Vokalensemble aus der Schweiz erst im Jahr 2015 gegründet wurde und damit nicht nur im zeitlichen Bestehen jung ist, sondern auch in der Besetzung. 

Zurich Chamber Singers werden bekannt

Ihr kometenhafter Aufstieg in der Europäischen Chorszene ist nun auch bei mir angekommen, und hinter allem steckt ein gewisser Christian Erny, Schweizer Pianist und Dirigent, der das Ensemble aus der Taufe hob und seither leitet und programmiert.

Das besondere Konzept von „Bruckner Spectrum“ ist die Kombination der Motette Anton Bruckners mit Werken von Giovanni Pierluigi da Palestrina, der für Bruckner ein großer Einfluss zu diesen Werken war. Als dritter Bestandteil finden sich Stücke von Burkhard Kinzler auf der CD, die extra für die Aufnahme beauftragt wurden. Damit decken die Zurich Chamber Singers dann drei verschiedene Epochen ab, und geben überdies dem beschlagenen Auftragskomponisten Kinzler eine Bühne, der als Komponist vor allem auch durch seine Lehraufträge, derzeit an der Zürcher Hochschule der Künste, auffällt. Seine Kompositionen für das Album sind gleichzeitig ein Bindeglied zwischen Bruckner und Palestrina, und stehen aber aufgrund des charakteristischen Stils Kinzlers auch für sich. Gleich in „Bruckner Brücke I“ demonstrieren die Sänger*innen des Ensembles die spannungsgeladenen Harmonieschichtungen die von enervierenden Sekunden aufbauend dann nach einer Zäsur zur Überleitung ins „Ecce sacerdos“ kommen. Beharrlich ostinativ werden die Vielharmonien mit unglaublich synchronen Glissandi ineinander überführt, so dass mir der Atem stockt.

Unheimlich kraftvoll

Bruckners „Ecce sacerdos“ selbst ist dann unheimlich kraftvoll und Dank der Orgelbegleitung dramaturgisch mitreissend, und hier wird schnell klar, dass heutige Filmkomponist*innen auch bei Bruckner brutal abkupfern. 

Aber auch die berührende Schönheit und Weichheit der Bruckner Motette projizieren die Zurich Chamber Singers sehr räumlich auf ihrem neuen Album. In „Virga Jesse floruit“ bezaubern die Sänger*innen mit der stetigen und gefühlvollen Wandlung zwischen Dur und moll, und die Sopranistinnen können hier erstmals schwindelerregende Höhen erfliegen, ohne dabei jemals angestrengt oder schrill zu wirken. 

Zurich Chamber Singers, Foto © Kaupo Kikkas
Zurich Chamber Singers, Foto © Kaupo Kikkas

Das stille „Christus factus est“ bringt das Ensemble ganz klein aber immer klar artikuliert, und wieder erstaunlich synchron in den gemeinsamen Tondurchgängen. Auch die lauteren Passagen singen die Zurich Chamber Singers hier dynamisch immer von unten an und halten die gefühlte Gesamtlautstärke damit eher niedrig. 

Beschaulich mit ebensolcher Orgelbegleitung wirkt dann Bruckners „Tantum ergo“, wobei vor allem die Frauenstimmen mit klarem aber rundem Ton die Harmonieführung betreiben, während die Männer eher mit den tiefen Registern der Orgel verschmelzend als Fundament im Hintergrund bleiben. 

Berührende Harmoniegeschichte

In Burkhard Kinzlers „Bruckner Brücke II“ leitet das Ensemble in fast schon unverschämt frecher Harmonik und wieder mit diesen fesselnden, fast endlosen Glissandi hin zum von mir sehr geliebten „Os justi“, dessen berührende Harmoniegeschichte die Zurich Chamber Singers mit großer Hingabe erzählen. Einmal mehr sind es dann die Sopranistinnen die brilliant den Klimax gestalten bevor das Stück dann in wohligem Frieden ausklingt.

Es gibt so viele interessante Stücke auf der CD, dass es mir schwer fällt aufzuhören von meinen einzelnen Erfahrungen damit zu erzählen. Dieses Album ist atemberaubend. Nicht weniger als das. Es hat mich umgehauen. Es muss gehört werden. So geht und tut dies!

Titelfoto © Kaupo Kikkas

Das Album

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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