Wenn ich meine aktuelle Musikbibliothek ansehe, und mich auf die vielen, neuen Werke konzentriere, dann habe ich immer weniger Möglichkeiten, nachzuvollziehen, warum ein Großteil unserer Gesellschaft „da einfach nichts findet“. „Das ist einfach nichts für mich“. Fair enough. Aber ist denn die riesengroße Vielfalt bei neuen, klassischen Werken überhaupt bekannt? Aktuelle Komponisten arbeiten im Verborgenen. Es sind wenige Namen, die durch Darbietungen in großen Konzerthäusern bekannter geworden sind. Selbst wenn die Künstler das Glück hatten bei einem im Genre bekannteren Label unter Vertrag zu stehen, so ist die Aufmerksamkeit und die Verbreitung der Werke und Aufnahmen dennoch leider lächerlich klein im Vergleich zu Produktionen die einfach nur oben drauf gelegt werden, auf den Stapel existierender Versionen eines älteren Werkes. Dabei ist es doch äusserst spannend, mit dem Komponisten eines interessanten Werkes direkt in Kontakt kommen zu können, einfach so als Konsument. Und bei Twitter kann man das. Viele sind da erstaunlich gut erreichbar und sehr offen und erfreut, Konsumenten ihrer Arbeit zu treffen. Bei einer Beethoven Symphonie ist das schon schwieriger.
Es könnte so einfach sein.
Wenn man nicht so schnell wegschalten würde. Nach dem ersten Versuch das gesamte Genre zur vielbesungenen Hurzmusik stempelte. Vielleicht wollen viele Hörer diese Vielfalt auch einfach gar nicht. Vielleicht will man das Erwartbare. Das will ich ja auch oft im Leben, sogar sehr oft. Aber eben nicht mehr bei Musik. Ich habe mein halbes Leben aus beruflichen Gründen damit verbracht, ständig und bergeweise Popmusik (im weitesten Sinne) lange und oft wiederholend anzuhören. Es reicht! Und genau dieses „Es reicht!“ brachte mich zur Neuen Musik. Und somit bin ich natürlich ein waschechter Sonderfall.
Nur habe ich interessanterweise dabei auch erfahren, wie erfrischend Neue Musik für Gehirn und Seele sein kann. Es ist wie morgens, nach dem Aufstehen auf nüchternen Magen grünen Tee zu trinken. Es durchströmt den Körper und gibt Kraft. Lädt die Batterien für den Tag. So ist es auch beim Hören Neuer Musik (egal zu welcher Tageszeit). Und da wurde mir bewusst, dass es hier nicht nur um mich geht. Dass es auch für eine größere Zahl von Menschen sehr gewinnbringend und stärkend sein kann, wenn man sich auch nur einmal wirklich öffnet für andere Klänge.
Wenn man genau aufpasst fällt auf, dass diese Klänge ja gar nicht so fremd sind. Die meisten Menschen kennen sie. In vielen Kinofilmen läuft als Untermalung Klangmaterial, welches der Neuen Musik entlehnt, oder direkt daraus verwendet ist. So hören bereits sehr viele Menschen im Kino und zu Hause Neue Musik. Sie bemerken es nur nicht. Auch meine immerwährenden Playlists sollen das Angebot schaffen, Neue Musik aus diesem akustischen toten Winkel zu holen. Der Erfolg ist mäßig. Ist mir aber egal. Solange die Herstellung der Playlist-Ausgaben so großen Spaß macht kann ich ja gar nicht damit aufhören.
Steter Tropfen…