Die Landschaft der Streichquartette ist eine besondere. Große Namen bekannter Ensembles werden zu Recht verehrt, da sie in einem äußerst anspruchsvollen wie fragilen Metier Höchstleistungen anbieten. Zu diesem Kreis zählt auch das mittlerweile alteingesessene, hochdotierte und vielfach aufgenommene Mandelring Quartett. Wenn solch ein Ensemble in die Stadt Ahrensburg kommt, wie es am 25. Februar der Fall war, dann ist das eine besondere Gelegenheit für besonderen Kulturgenuss, und es zeigt die hervorragende Arbeit des Vereins Theater & Musik in Ahrensburg e.V.
Jetzt könnte man für solch einen Abend ein typisches Quartettprogramm planen, Haydn zu Beginn, dann vielleicht ein Schubert, und für die Moderne möglicherweise Bartók? Da wäre für jede*n was dabei, und das wäre aller Ehren wert. Aber nicht mit dem Mandelring Quartett. Die drei Geschwister Sebastian Schmidt (1. Violine), Nanette Schmidt (2. Violine), Bernhard Schmidt (Cello) und ihr Bratschist Andreas Willwohl hatten Lust auf keinen gefälligen, sondern einen sehr anspruchsvollen und damit auch äußerst gehaltvollen Ablauf des Abends. Mit Dmitri Schostakowitschs letztem Streichquartett Nr. 15 in es-Moll op. 144 gab es eher ein ca. 35-minütiges langes Adagio denn klassische Streichquartettliteratur. Und Beethovens Quartett in cis-Moll op. 131 war als vielleicht komplexestes der Beethoven-Quartette nicht gerade der leichtgängige Gegenpol dazu. Aber da fühle ich mich als Konzertgänger ernst genommen, wenn mir nicht unbedingt immer auch etwas Leichteres serviert werden muss.
Soweit zur Erwartung und Vorfreude, blieb dann aber noch die Frage der Ausführung. Tatsächlich wunderte ich mich in den ersten Minuten, warum ich scheinbar nicht so leicht in den Schostakowitsch hineinfinden mochte. Ließ mich das Spiel des Mandelring Quartetts am Ende kalt, erreichten mich die Musikerinnen mit dem Vortrag? Dann wurde mir aber wieder klar, dass es ja nicht die Intention dieses Werkes war, schnell zu unterhalten. Gerade der erste Satz „Elegie: Adagio“ beginnt leise zurückhaltend und setzt das Thema des Komponisten, die Trauer über die vielen Todesfälle in seinem Umfeld. Und Minute für Minute bauten die Vier diese Spannung, aber auch die Konzentration auf die intendierten und die möglichen Gefühle, die durch Schostakowitschs Musik transportiert werden könnten, auf. Im ersten Tutti dann präsentierte sich das Mandelring Quartett mit starker Verbindung und großem Gemeinsinn, sie sprachen sofort mit einer Stimme, aber nicht ohne ihren Einzelakteurinnen genug Raum zu lassen. Das Cello erfreute mich mit sehr jovial ausgeführter, basaler Rolle, die schön fundamentierend wohlig stimmte. Und insgesamt konnte sich das Cello in diesem Werk hervorragend darstellen, füllte Bernhard Schmidt in den Solopassagen präsent den Raum. Aber auch Bratschist Andreas Willwohl gestaltete seine Solostellen sehr innig und intim, dem Werk und seinem Thema angemessen. Derweil führte das gesamte Ensemble Akkordgebilde sehr schön chorhaft aus, an leiseren Stellen mit perfekter Abstimmung in den Lautstärken. So stellte das Mandelring Quartett dieses große Werk und seine Bedeutung wunderbar in seinem Gesamtkontext dar, und man spürte sehr gut die große Erfahrung der Musiker*innen mit Schostakowitschs Quartettzyklus.
Auf das Beethoven-Quartett hatte ich mich besonders gefreut, und diese Erwartungen sollten bei weitem noch übertroffen werden. Nicht so oft lasse ich mich nach einem Vortrag zu stärkeren Gefühlsausbrüchen hinreißen, aber für mich persönlich war das nach dem letzten Ton fast schon Fußballstadion. Wie konnte es so weit kommen?

Vom ersten Satz an zeigte das Mandelring Quartett sehr viele herausragende Fähigkeiten und Eigenschaften und begeisterte mich auch mit Vielseitigkeit. Sei es die insgesamt hohe und oft schon orchestrale Integrität im Spiel oder die akkurate Zusammenarbeit in Dynamikverläufen. Rhythmische Akzente kamen höchst synchron, Themenweitergaben zwischen den Instrumenten wirkten sehr spielerisch, mit viel Lust zu musizieren. Phrasierungen von mehrstimmigen Melodieführungen waren wunderbar plastisch und erzählend gestaltet, und auch andere Elemente erklangen mit sehr viel Einigkeit im Spiel. Bei solch einem Werk braucht man dafür neben allem technischen Können viel Erfahrung und Eingespieltheit.
Mit fortschreitender Dauer des Beethoven-Quartetts spielten die Musiker*innen immer akzentuierter, mit Verve und Power, und brachten dieses große Streichquartett zu einem kraftvollen, beeindruckenden Abschluss.
Das Mandelring Quartett machte an diesem Abend dennoch keine Show. Sie warfen sich nicht mit den Oberkörpern in die Töne oder atmeten dramatisch. Sie stellten die Musik in den Vordergrund anstatt sich selbst, und so wird man diesen Werken und ihren Erfindern dann wirklich gerecht und hinterlässt, wie in Ahrensburg, ein beeindrucktes und von Genuss erfülltes Publikum.