Nachdem der Dirigent Klaus Mäkelä mit dem Oslo Philharmonic Orchestra den kompletten Sinfoniezyklus von Jean Sibelius dieses Jahr auf CD veröffentlicht hat, wird das Programm nun von genannten Künstler*innen in jeweils drei Konzerten an verschiedenen Spielorten umgesetzt. Nach dem Engagement in Wien folgten nun die Aufführungen in der Elbphilharmonie. Die einzelnen Sinfonien wurden mit 1, 6 und 7, dann 4 und 2 und schliesslich 3 und 5 auf die verschiedenen Abende verteilt.
Der für seinen nüchternen Stil bekannte Mäkelä agierte beim mittleren Konzertabend in der Hamburger Elbphilharmonie äusserst kreativ und gestalterisch, stand doch am Beginn des Konzertes die von vielen als am wenigsten publikumswirksam gesehene Sinfonie Nr. 4 auf dem Programm. Eigentlich also ein anspruchsvoller Beginn für einen Konzertabend, aber Klaus Mäkelä hat insgesamt eigene Pläne bei der Umsetzung dieses Zyklus. So machte er bei der Nr. 4 beides, er liess ihre geschichtlich bedingte Kargheit wirken, aber arbeitet an vielen Stellen Gegengewichte zu der Düsternis, die dem Werk oft konstatiert wird. Sibelius stand zur Zeit der Komposition dieses Werkes unter dem belastenden Eindruck einer Krebsoperation, und sah zudem in den allgemeinen politischen Entwicklungen den ersten Weltkrieg aufkommen. Entsprechend ist die Musik bestimmt von dunkleren Stimmungen, die das Oslo Philharmonic an diesem Abend auch gelten liess, sich ihnen jedoch nicht komplett hingab. Klaus Mäkelä arbeitete ein ums andere mal die sehr wohl gerade in den ersten beiden Sätzen vorhandenen hoffnungsvollen Melodien gerade mit den Blechbläsern prominent heraus. Dadurch schaffte er eine sehr reizvolle Balance zu den schwereren Anteilen der Symphonie, die vor allem durch die Celli gleich zu Beginn gut gesetzt wurden. Sowieso war das Orchester von Anfang an auf den Punkt da mit dem passenden Klang für Sibelius Musik. Die Streicher erzeugten Weite mit breiten Strichen, die Blechbläser setzten die für den Komponisten typischen, erhaben-majestätischen Akzente, und die Holzbläser die an Naturstimmen angelehnten Einzelmelodien. Der Dirigent gab dabei den Orchestermusiker*innen viel Raum und Freiheit zu gestalten, was sie durch die Betonung verzierender Spieltechnik gut nutzen konnten.
Eine klassische Interpretation der Sinfonie zeigten die Beteiligten im zweiten Satz, der sehr schwer gespielt wurde. Die Oboen zogen die Töne lang, und die Geigen lagen in elegischen Vibrati. Aus dieser Stimmung heraus führte das Ensemble dann zum einprägsamen musikalischen Thema am Ende des Satzes das mit viel Energie im Tutti gespielt dem Publikum den Atem raubte. Das war ein erster sehr besonderer Konzertmoment.
Gut eingespielt mit Klaus Mäkelä
Die Transformation der ursprünglichen Komposition in etwas Eigenes zeigte sich dann auch gegen Ende des Werkes, als das Orchester zwar dunkeltönig, aber nie pessimistisch, sondern kraftvoll und bestimmt gestaltete. Spätestens hier war klar, wie gut eingespielt Ensemble und Dirigent mittlerweile sind, denn die Orchestermusiker*innen wussten in jedem Moment genau was Klaus Mäkelä von ihnen will, und reagierten schnell und akkurat.
Mit der zweiten Sinfonie beschritten die Beteiligten nach der Pause einen anderen Weg. Das beliebte Werk glänzt üblicherweise durch viele Klangfarben und bestechende musikalische Themen. Die führten Orchester und Dirigent auch aus, aber gerade in den letzten beiden Sätzen gehen viele Orchester in höhere Lautstärken, und spielen dauerhaft mit hoher Energie. Das machte Klaus Mäkelä erstmal nicht, er gestaltete auch leisere Passagen, und nahm den Klangkörper auch immer wieder zurück. An den entscheidenden Stellen, der musikalischen Höhepunkte und eindrücklichen Themen gaben die Musiker*innen dann doch volle Lautstärke, wodurch ein größerer Unterschied zwischen den verschiedenen Gestaltungselementen entstand. Dadurch konnten die markanten Passagen und Höhepunkte noch intensiver wirken. Generell ging das Ensemble die unterschiedlichen Sätze immer in hohem Tempo an, und als Folge davon hätte die eine oder andere Figur mit mehr Ruhe ausgeführt werden können. Mit der bereits beschriebenen bewusst gesteuerten Planung der Intensitäten steuerte das Orchester dann mit ergreifender Breite und Wucht in die Schlussoffensiven der Sinfonie, und brachte so den Vortrag zu einem ersten Ende, und das Publikum von den Sitzen.
Mit “Finlandia” wurde dann noch die Lieblingszugabe der Künstler*innen gegeben, und das hörte man auch. Das Orchester legte sich ordentlich in die Kurve und genoß reichlich Encore-Stimmung auf der Bühne. Abermals mit stehenden Ovationen endete dann ein sehr interessanter und begeisternder Konzertabend, mit einer Interpretation des Sibelius Zyklus, die ich nur empfehlen kann.
Titelfoto @ Daniel Dittus
Programm
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 4 a-Moll op. 63
Pause
Jean Sibelius
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43
Zugabe:
Jean Sibelius
Finlandia op. 26
Besetzung
Oslo Philharmonic
Dirigent Klaus Mäkelä
Veranstaltung
Dienstag, 31.5.2022 20 Uhr
Elbphilharmonie Großer Saal