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Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

Das Schumann Quartett in der Laeiszhalle

Ich hätte schon längst die Chance ergreifen sollen, um mal wieder in die Laeiszhalle zu gehen. Die Programmierung in beiden Sälen ist weiterhin äußerst interessant, abwechslungsreich und anspruchsvoll. Gerade den kleinen Saal mit seiner für Kammermusik wirklich hervorragenden Akustik habe ich etwas vermisst. Die Möglichkeit dieses Programm zu erleben war dann der letzte Anstoss, mich auf den Weg zu machen. Das Schumann Quartett, bestehend aus der Bratschistin Liisa Randalu und den Brüdern Mark, Erik und Ken Schumann ist auf der großen Klassikbühne angekommen, erkennbar unter anderem an einer drei Jahre währenden Residenz bei der Chamber Music Society des Lincoln Center in New York. In dieser Rolle lehnen sich die Musiker aber nicht einfach auf bewährtem Programm zurück, für den Abend hatten sie überraschend interessante Werke ausgesucht. Das 12. Streichquartett von Franz Schubert ist das unvollendete, das nur aus dem ersten Satz und einem Fragment des Zweiten besteht. Danach bildeten die Musiker die freundschaftliche Verbindung zwischen Johannes Brahms und Robert Fuchs nach, mit Brahms drittem Streichquartett und dem so erstaunlichen Klarinettenquintett des Letztgenannten. Mit Vorfreude erwartete ich also gespannt, wie die Musiker diese inhaltlichen Finessen musikalisch umsetzen würden. Dem nicht genug, gab es noch ein weiteres großes Highlight für den Abend, kam doch für das Quintett Pablo Barragán an der Klarinette hinzu, der unter anderem an der Schule der Barenboim-Said Foundation und dem West-Eastern-Divan Orchestra gelernt hatte. Dieser zweite Teil des Abends unterstrich, dass das Ensemble gern in verschiedenen Konstellationen spielt.

Eine besondere Rolle

Nicht nur musikalisch kam Liisa Randalu an diesem Abend eine besondere Rolle zu. Auf der Bühne war sie auch das Farbelement neben den kompakt agierenden Brüdern. Und mit ihrer eigenwilligen Körperhaltung beim spielen konnte sie auch einen eigenen Stil kreieren, wenn sie die Bratsche so abgekippt nach unten hielt, um darüber hinweg in die Noten zu sehen.

Dennoch zeigten die Musiker an diesem Abend ihre große Stärke gleich von Beginn an und agierten mit großer Synchronität, vor allem in den Dynamikverläufen des ersten Satzes des Streichquartetts von Franz Schubert. Den zweiten Satz, der nur als Fragment erhalten ist, gestaltete das Ensemble mit schöner Fragilität, wobei die erste Geige die Lagenwechsel geschickt als Stilmittel verwendete.

Gratwanderung

Die spielerische Einheit, die oft an diesem Abend zu erleben war, wurde dann aber im 3. Streichquartett von Johannes Brahms auf die Probe gestellt, ging es hier doch darum, die Bratschistin in den Vordergrund treten zu lassen. Entgegen der Trends der Zeit hatte Brahms die wichtigen Melodien dieses Werks an die Viola vergeben, und liess die anderen Streichinstrumente fast schon gedämpft spielen. Das Schumann Quartett setzte das auch nahezu perfekt um, und Randalu hatte genug Raum um diese wichtige Rolle auszufüllen. Und da dieser gestalterische Rahmen so gut gelungen war, fielen die manchmal doch merklichen Intonationsprobleme zwischen Violinen und Bratsche im zweiten und dritten Satz nicht sehr ins Gewicht.  Die Gratwanderung gerade der Violinen zwischen gedämpfter Zurückhaltung und expressiver Phrasierung war beeindruckend anzusehen, während Randalu mit kerzengerader Haltung selbstbewusst die Bögen der Führungsmelodien spannte. Im schnellen Schlussteil des Brahms Quartetts schienen die Musiker dann doch etwas die Bindung zueinander zu verlieren, als vor allem Cellist Mark Schumann durch intensivere Kontaktaufnahme half den Vortrag wieder in Bahnen zu lenken.

Beeindruckende Sorgfalt

Das wenig gespielte Klarinettenquintett von Robert Fuchs war nach der Pause dann das Highlight des Abend, zu dem Pablo Barragán hinzu kam. Und man merkte es den Musikern richtig an, wie sie sich auf diese erstaunliche Musik gefreut hatten. Mit hohem Engagement und Gestaltungswillen, den Barragán mit äußerst weichem, fast gläsernem Ton unterstützte unterstrich das Ensemble kunstvoll die musikalische Besonderheiten dieser Komposition. Die vielen leiseren Stellen gestalten die Musiker mit durchsichtigem Strich federleicht. Die Umsicht und das Feingefühl, die dieses Quintett braucht um dargestellt zu werden, machen es zu einem Werk mit überraschenden Wendungen, und aufregenden Melodien. Und gerade den wunderschönen dritten Satz musiziert das Ensemble mit der beeindruckenden Sorgfalt in Balance und Tongestaltung die ich mir vorher erhofft hatte. Und zum Schluss hin verbündeten sich die Streicher richtiggehend um der Klarinette nochmal die Bühne zu geben, die Barragán mit tollem Kontakt zu seinen Mitmusikern und dem Publikum zu nutzen wusste.

Wenig überraschend war dann die begeisterte, fast entfesselte Reaktion des Publikums, die den Abend dann noch in eine abschließende Zugabe führte.

Besetzung:

Erik Schumann Violine
Ken Schumann Violine
Liisa Randalu Viola
Mark Schumann Violoncello
Pablo Barragán Klarinette

Programm:

Franz Schubert
Quartettsatz c-Moll D 703 mit Fragment des 2. Satzes
Johannes Brahms
Streichquartett B-Dur op. 67
– Pause –

Robert Fuchs
Klarinettenquintett Es-Dur op. 102

Datum:

25. Oktober 2019

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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