Ein weiteres mal bringt Orchestergraben-Gastautor Kai Germann einen Review über eine interessante, aktuelle Veröffentlichung. Sharon Kam hat zusammen mit dem ORF Vienna Radio Symphony Orchestra Klarinettenkonzerte von Weber, Kurpinski und Crusell eingespielt und verbreitet so einmal mehr die Magie der Klarinette.
Sharon Kam ist eine weltweit gefeierte Klarinettistin. 1971 in Israel geboren, gab sie bereits als 16-jährige ihr Orchesterdebüt mit dem Israel Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Zubin Mehta. Von da an ging ihre Karriere steil bergauf. 1998 erhielt sie für ihre Einspielung der Weber-Konzerte mit dem Gewandhausorchester unter der Leitung von Kurt Masur erstmalig den ECHO Klassik als „Instrumentalistin des Jahres“. Sie konzertiert nun mit den berühmtesten und größten Orchestern unserer Zeit.
Die Solistin
Sharon Kam versteht sich jedoch nicht nur als Teil eines Orchesters, sondern sie ist auch eine begnadete Solistin. „Perfekt muss es klingen, und mühelos…“ das ist ihre Devise. Die Klarinette ist ein facettenreiches Instrument. Mal weich und anschmiegsam, oft auch schrill und laut, aber auch sanft und romantisch. Man sagt Sharon Kam nach, dass sie mit ihrem Instrument verschmilzt. Dabei ist sie in guter Gesellschaft. Schon Mozart liebte die Klarinette und komponierte 1791 das Klarinettenkonzert A-Dur KV 622. Es gilt als eines seiner letzten Werke, von Sharon Kam ebenso häufig wie gerne gespielt.
Musik bietet viel Spielraum für unterschiedliche Interpretationen. Und mit der Zeit ändert sich die Sichtweise. Nach mehr als 20 Jahren hat Sharon Kam nun das Klarinetten-Konzert Nr. 2 von Carl Maria von Weber erneut aufgenommen und dieses mit Werken des polnischen Komponisten Karol Kurpiński (1785 – 1857) sowie des finnischen Klarinettisten und Komponisten Bernhard Crusell (1777 – 1838) ergänzt. Das „1811“ betitelte Album (alle drei Konzerte entstanden höchstwahrscheinlich im gleichen Jahr) wurde unter der Leitung ihres Ehemannes Gregor Bühl und dem ORF Vienna Radio Symphony Orchestra eingespielt. Anders als Weber (Der Freischütz), sind Kurpinski und Crusell in unseren Breitengraden eher weniger bekannt. Völlig zu Unrecht, wie der Autor dieser Review meint, denn alle drei auf dem neuen Album vereinten Klarinettenkonzerte verdienen Aufmerksamkeit. Die Homogenität der Kompositionen wirft die Frage auf, ob sich die Schöpfer dieser Werke der frühromantischen Tradition jemals über den Weg gelaufen sind. Man möchte es fast glauben.
Ein absoluter Hörgenuss
In der Musiksprache bedeutet „Allegro“ so viel wie „lebhaft, schnell, heiter“. Bei der Einleitung des nur aus einem Satz bestehenden Klarinettenkonzertes von Kurpinski erklingt das ORF Vienna Radio Symphony Orchestra in eben diesem Tenor, dazu majestätisch würdevoll. Dann jedoch übernimmt die Klarinette das Zepter. Sharon Kam spielt mit einer Leichtigkeit und Unbeschwertheit, als käme die Musik wie Magie aus ihrem Innersten heraus. Sie spielt nicht nur, sie tanzt förmlich mit ihrem Instrument. Ein absoluter Hörgenuss.
Das weitaus bekanntere Klarinettenkonzert Nr. 2 von Weber ist das Prunkstück dieser Neuveröffentlichung. Kraftvoll in der Melodienstruktur und in der Polonaise operngleich strukturiert, gelingt der zweifachen ECHO Klassik-Preisträgerin in ihrer Interpretation der Spagat zwischen virtuoser Harmonie und eleganter Nuance.
Stilistisch verwandt mit Weber und Kurpinski ist auch das einzige Klarinettenkonzert des weitgehend vergessenen Musikdichters Crusell. Als besonderer Anspieltipp sei hier das wunderschön melodische „Adagio“ empfohlen.
Mit „1811“ ist es Sharon Kam gelungen, ihre hervorragende Spieltechnik erneut zu demonstrieren und den auch weniger populären Klarinettenkonzerten neues Leben einzuhauchen.
Die Tonqualität des gesamten Albums ist ausgewogen, transparent und schlank-dynamisch im Klang. Freunde guter Aufnahmetechnik werden somit auf ihre Kosten kommen.