Einfach Klassik.

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Die Musik ist in meinem Kopf – Interview mit Ludwig van Beethoven

Unser Autor Kai Germann hat den großen Komponisten Ludwig van Beethoven im Wiener Caféhaus Schwarzenberg zu einem Interview getroffen. Das folgende Gespräch sei daher mit einem Augenzwinkern zu genießen.

Wien, Café Schwarzenberg, 27. August 2021

Herr van Beethoven, obwohl Sie seit 250 Jahren nicht mehr tätig waren geht das Gerücht um, Sie haben wieder angefangen, zu komponieren. War Ihr Jubiläum im vergangenen Jahr der Anlass dafür?

So a Schmarrn….ich war ja nie ganz weg und habe mich damals nur zurückgezogen, weil ich immer tauber und kränker wurde. Jetzt, mit einem modernen Hörapparat fällt mir vieles etwas leichter. Übrigens eine freundliche Leihgabe der Wiener Stadtverwaltung. Trotzdem könnten Sie ruhig ein wenig lauter sprechen. Und nein, ich werde nicht wieder mit dem Komponieren anfangen. Aus biologischen Gründen ist das auch gar nicht möglich. Der Wiener Zentralfriedhof hat mich lediglich für dieses Interview beurlaubt. Also stellen Sie ihre Fragen….ich habe nicht viel Zeit….

Ihre Musik wird ja auch heute immer noch auf allen Konzertbühnen gespielt. Ist das nicht sehr schmeichelhaft für Sie?

Ja wissen ́s…es gab eine Zeit in der ich ganz froh war, nichts hören zu können. Manche Orchester und Solisten haben mein Werk verhunzt, als wären sie nicht in der Lage, Noten zu lesen….was höchstwahrscheinlich oftmals auch der Fall war. Interpretieren und verstehen wollen sie mich….dabei hört und sieht jeder etwas anderes in meiner Musik. Aber was mich wirklich umtreibt, hat keinen etwas anzugehen. Sollen sie doch spielen, wie sie wollen. Hauptsache, sie machen ́s richtig und den Leuten gefällt ́s…i hob ja nix mehr davon, gell?

Es ist bekannt, dass Sie oftmals bei Spaziergängen im Prater komponiert haben. Woher nehmen Sie die Ideen? Lassen Sie sich eher von der Natur inspirieren oder sind literarische Vorlagen der Ursprung?

Ich sag ́ Ihnen was…..die Musik ist in meinem Kopf. Ich brauche sie im Grunde nur noch niederzuschreiben….weder brauche ich dafür das lärmende Volk im Prater noch irgendwelche g ́scheiten Bücher. Manchmal habe ich so viele Ideen, dass mir das Papier ausgeht…ich muss alles ganz schnell aufschreiben, um nichts zu vergessen.

Sie sind schon sehr häufig umgezogen. Angeblich wechseln sie fast alle sechs Monate die Bleibe. Sind Sie ein Unrast?

Ach was, das liegt ganz einfach daran, dass sich die Leute aus dem Haus oder der Nachbarschaft darüber beschweren, ich sei zu laut. Diese Banausen fühlen sich durch meine Arbeit gestört. Ich komponiere oftmals in der Nacht und natürlich spiele ich dann auch Klavier. Was kann ich dafür, wenn ausgerechnet zu später Stund ́ mir grad was einfällt?…..zumal es mit meinem Hörvermögen nicht zum Besten steht….daher bekomme ich manchmal von den Vermietern das Mobiliar vor die Tür gesetzt… (schüttelt verständnislos den Kopf). Andererseits ist Wien im Sommer unerträglich heiß und staubig. Da zieh ich dann im Frühjahr auf ́s Land und spar ́ mir die teure Miete. Muss mir dann aber immer neue Wohnungen suchen.

Sie kümmern sich sehr um ihren Neffen Karl, haben sogar das Sorgerecht für ihn erstritten. Aber Ihr Talent scheint er nicht geerbt zu haben? Er wollte sich ja sogar wegen Ihnen umbringen…

(aufbrausend) Was, wegen mir? Sind ́s noch ganz g ́scheit? …(grummelt…). Ja, Karl….dieser Nichtsnutz von einem eselhaften Neffen. Ich habe zeitlebens versucht, das aus ihm etwas Anständiges wird….aber er treibt sich nur mit narrischem Weibsvolk herum und ist dem Wein zugetan. Ich habe da wenig Hoffnung auf Besserung. Das hat er von seinem Vater Kaspar geerbt, der war auch nicht viel besser. Und Nikolaus trank auch immer mehr, als ihm gut tat…

Aber wie man weiß, spucken ́s selbst auch ned grad ins Glaserl?

A gehn ́s….bei einem kleinen Schoppen kann i besser arbeiten, wen stört ́s?

Angeblich sollen Sie ihre Haushälterin so dermaßen angebrüllt haben, dass diese fluchtartig das Haus verlassen hat. Gab es dafür einen Grund?

Natürlich gab es dafür einen Grund. Sie konnt ́ned kochen, die blade Blunzn….Alles schmeckte fad und langweilig, die Suppe war wässrig. Auch Karl hatte sich mehrfach beklagt. Da hob i sie zur Rede gestellt. Sie behauptete, das Geld würde nicht reichen, ich sei ein Schmutzfink, würde mit Essensresten um mich werfen und sie müsse immer alles hinter mir herräumen. Da habe ich sie rausgeworfen. Da krieg i an Hois!

Foto von Maria Lupan, unsplash

Ihre Klaviersonate op 27 nr. 2 bekam schon vor langer Zeit den Beinamen „Mondscheinsonate“. War die Bezeichnung Ihrer Meinung nach zutreffend?

Das kam von Rellstab, diesem Fetznschedl. Wahrscheinlich ist ihm die Bootsfahrt damals zu Kopfe gestiegen. Wenn sie sich das Stück anhören werden sie feststellen, dass man schon sehr viel Phantasie haben muss, um darin eine Romanze bei Mondschein zu erkennen. Ich habe von diesem Hallodri aber auch nichts anderes erwartet. Zwar schreibt er viel, aber von Musik hat er koa Ahnung. Ich erinnere mich, dass ich Mozart ́s „Don Giovanni“ im Kopfe hatte, als ich den 1. Satz schrieb. Irgendwas war da…..aber spekulieren ́s mal selbst weiter…..

Seit Jahrhunderten rätselt die Welt über Ihre „unsterbliche Geliebte.“ Heute wäre doch ein guter Zeitpunkt, uns endlich zu verraten, welche Dame dahintersteckt…..war es Antonie Brentano?

Es gibt keinen Zeitpunkt, der dafür gut wäre. (etwas unwirsch) Private Angelegenheiten sollten für die Leute nicht von Belang sein. Meine unsterbliche Geliebte ist und bleibt die Musik. Soll die Welt meinethalben weiterrätseln. Schreiben ́s das so.

Herr van Beethoven, Ihr Heiligenstädter Testament hat damals sehr viele Fragen aufgeworfen. Würden Sie es nach heutigem Ermessen ändern wollen?

Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte. Außerdem entsprach es nicht meinem Wunsch, dass der Brief nach meinem Tode in zahllosen Büchern und Zeitschriften veröffentlicht wird. Der Inhalt war nur für meine Brüder bestimmt. Ich befand mich damals auf der Herrengasse wegen meiner fortschreitenden Taubheit in einer unsäglichen Phase. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie fast täglich schlechter hören könnten, dadurch von der Welt zurückgestoßen? Schindler, dieser Beidl hat das dann gegen meinen Willen aber unter die Leute gebracht. Es bleibt so, wie es ist. I änder da nix.

Es heißt, dass Sie ursprünglich Napoleon ihre 3. Sinfonie gewidmet haben und…

(unterbricht) Ich habe im Laufe meines Lebens viele Kompositionen irgendwelchen Leuten gewidmet. Dieser Bonaparte war nur einer davon. Als ich merkte, dass auch er nur ein rücksichtsloser Tyrann ist, habe ich die Widmung gestrichen und die Sinfonie umbenannt. Eroica klingt doch auch viel schöner. Aber wen interessiert das heute noch? Ich habe mich eben geirrt.

Fast gleichzeitig entstand die Klaviersonate Nr. 21, die Sie dem Grafen Waldstein gewidmet haben. Er schrieb über Sie, sie hätten Mozart ́s Geist aus Haydn ́s Händen empfangen. Hat Sie das berührt?

(nachdenklich) Der Waldstein war ein guter Freund und hat mich immer unterstützt. Auch in schlechten Zeiten. Ich bin ihm sehr dankbar. Sein Urteil hat mich sogar sehr berührt und war mir auch wichtig. Leider haben wir uns in Wien aus den Augen verloren. Ich bedaure das sehr.

Ihre Verleger haben sie ja oft zur Verzweiflung gebracht ob Ihrer ständigen Änderungen an den Kompositionen? Und sie haben den Ruf, ein guter Geschäftsmann zu sein…

Ja, weil ́s ned lesen können und immer alles schnell gehen muss. Diese Erzschurken haben genug Geld mit meiner Musik verdient. Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Verleger ich schon hatte. Und alle wollten ́s mir immer nur Vorschriften machen….schließlich muss ich ja auch von meinem G ́schreibsel leben, oder arbeiten Sie nur aus Spaß an der Freud ́?

Welchen Rat würden Sie jungen Künstlern geben, die ein klassisches Instrument lernen wollen um dann ihre Werke spielen zu können?

Solln ́s weniger jammern, wie schwierig alles sei und dafür mehr üben. Ich selber habe unterrichtet und dabei feststellen müssen, dass man der Musik Schlimmes antun kann, wenn man sie erlernt. Das braucht Zeit und Geduld. Beides hat aber heute keiner mehr….

Es klingt fantastisch, aber künstliche Intelligenz hat soeben Ihre 10. Sinfonie fertiggestellt. Sie sind ja nicht mehr dazu gekommen. Erfüllt Sie das mit Stolz?

(lacht verächtlich) Künstliche was? Ist das eine Maschine? Warum sollte ich stolz darauf sein, dass sich so ein Ding anmaßt, mein Werk zu vollenden? Will man vielleicht damit meine Fähigkeiten anzweifeln? Jetzt weiß ich auch, warum meine Skizzen verschwunden sind…..da soll doch….

Anders als zu Ihrer Zeit gibt es heute sehr viele unterschiedliche Musikrichtungen. Die Klassik wird dabei immer als sehr elitär bezeichnet. Das schreckt viele Leute ab, sich näher mit Sonaten, Opern oder Sinfonien zu beschäftigen…

Nun, daran seid Ihr Journalisten ja ned ganz unschuldig, gell? Wenn man so manche „Fachmagazine“ liest…..da wird eine Sprache verwendet, die koa Mensch versteht. Dadurch entsteht der Eindruck, klassische Musik sei eine Richtung für Akademiker und Gelehrte. Kein Wunder, dass sich viele Leute scheuen, meine Musik zu hören. Und Opern….mit Opern habe ich mich immer schwergetan, daher habe ich auch nur die Leonore geschrieben, weil der Freiherr von Braun es mir so auftrug. Die wollte dann aber keiner hören. Abgesetzt nach 14 Tagen, so eine Unverschämtheit…Sie haben doch das neumodische Internet und jedes Werk von mir ist dort angeblich verfügbar und kann gehört werden. Wenn die Musik sie auf irgendeine Weise anspricht, freut mich das natürlich. Meine Kompositionen sind für alle Menschen da, egal ob jung oder alt. Ich kenne einfache Arbeiter, die meine Musik lieben. Sie genießen keine besondere Schulbildung, aber sie hören mit dem Herzen. Darauf kommt es an. Und hören ́s auf, meine Musik immer wieder zu intellektualisieren. Hören sie ganz einfach zu. Mehr erwarte ich nicht. So, an dieser Stelle müssen wir das Interview leider beenden. Gleich kommt der 71er. Ich muss zurück zur Simmeringer Hauptstraße. Falls Sie die Kollegen Brahms oder Schubert mal sprechen wollen….ich kann gerne nachfragen….habe die Ehre.

Vielen Dank Herr van Beethoven für das Interview. Vielleicht komme ich bei Gelegenheit auf Ihr Angebot zurück. Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise.

Das Interview führte Kai Germann

Icon Autor lg
Kai Germann ist Pädagoge und war 15 Jahre lang Radiomoderator in unterschiedlichen Sendeformaten. Schon als Jugendlicher früh durch Oskar Werner inspiriert, hat er sich intensiv mit Poesie, Literatur und klassischer Musik auseinandergesetzt und auch selbst Klavier gespielt. Neben dem Schwerpunkt Wiener Klassik liebt er Musik in all ihren Facetten. Er schreibt Film-Rezensionen und Klassik-Reviews (Konzerte, CD-Neuerscheinungen, Buchbesprechungen), führt Interviews zum Thema Film, Theater, klassische Musik, und hält sich gerne in Salzburg auf. Kai Germann möchte mit seinen Beiträgen nicht nur Kenner, sondern auch Neueinsteiger jeden Alters für die vielen unterschiedlichen Facetten der klassischen Musik begeistern.
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