Einfach Klassik.

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Die Prom-Landung

Über die Uraufführung von „The Moon“ von Huw Watkins bei den BBC Proms

Eigentlich, ja eigentlich. – Eigentlich wollte ich weder auf den Trend des Mondlandungsgeburtstages, noch auf die Berichterstattungen über die BBC Proms einsteigen. Tja, für beide Ereignisse spät, erwischt es mich nun doch noch. Aber die heute Abend stattfindende Uraufführung des Stückes „The Moon“ von Huw Watkins bei der 28. BBC Prom-Night in London – in Erinnerung an die erste Landung auf dem Mond, lässt mich schwach werden. Über die Proms wird genug geschrieben und dieses Festival ist mit Recht überall präsent. Und auch für mich waren schon einige tolle Abende dabei. Zum Beispiel das Gastspiel der Bamberger Symphoniker mit „Má vlast“, das ich in einem anderen Konzert bereits hier beschrieben habe. Es ist spannend wenn einem ein Künstler oder Ensemble dann auf so einer großen Bühne wieder begegnet.

Und in gewisser Weise ist es auch mit dem englischen Komponisten Huw Watkins so. Sein Wirken verfolge ich schon seit längerer Zeit und mag seine Werke sehr. Die Nachricht, dass ein Stück von ihm dieses Jahr uraufgeführt werden würde, war natürlich aufregend, und weckte die Ahnung, dass dadurch auch ich dieses Jahr schreiberisch nicht an den Proms vorbei kommen würde.

Aber wer ist dieser Huw Watkins überhaupt?

Der Kapitän

Huw Watkins studierte Klavier und Komposition an der Chetham’s School of Music in Manchester, dem King’s College, Cambridge, und am Royal College of Music. Die Royal Academy of Music führt ihn als Honorary Research Fellow. Viele, große Orchester haben Werke bei ihm beauftragt, und ein Violinkonzert wurde bereits bei den BBC Proms 2010, und sein Cellokonzert 2016 uraufgeführt. Auch Kammermusik spielt eine sehr große Rolle in seinem Schaffen, und wurde beim Cheltenham und beim Aldeburgh Festival gespielt. 

Als Pianist ist er ebenfalls sehr aktiv, und spielt unter anderem mit seinem Bruder Paul Watkins, der die Uraufführung des Cellokonzertes als Solist vortrug. Aber auch viele Ensembles die sich auf Neue Musik spezialisiert haben unterstützt er spielerisch, wie zum Beispiel die Bath Camerata auf ihrer letzten CD „Songs of Renewal“

Die Crew

Das Orchester am heutigen Abend ist wie an vielen anderen Prom Nights das BBC National Orchestra of Wales (kurz BBC NOW). Das einzige professionelle Orchester in Wales und eins von den fünf Orchestern der BBC ist viel auf Tour im Ausland und regelmässig in der Royal Albert Hall vertreten. 

Den Chorpart in den verschiedenen Werken des Konzertes übernimmt der BBC National Chorus of Wales, der 1983 gegründet, sich schnell einen Namen im Vereinigten Königreich gemacht hat, obwohl das Ensemble weiterhin an seinem Amateurstatus festhält. Von der engen Partnerschaft mit dem BBC NOW profitieren beide Klangkörper, und bilden auch bei solch großen Veranstaltungen wie an diesem Abend eine starke Einheit.

Mit dem japanisch-englischen Dirigenten Tadaaki Otaka kehrt ein alter Bekannter zum Orchester zurück. Er leitete das BBC NOW bereits zwischen 1987 und 1995. Ausserdem war er Chefdirigent unter anderem des Tokyo Philharmonic Orchestra, das Melbourne Symphony Orchestra, und das Osaka Philharmonic Orchestra. Weiterhin hält er verschiedene Beraterpositionen.  

Der Flug

Tatsächlich beschreibt „The Moon“, für Chor und Orchester, nicht die Reise zum Mond oder die Landung. Man wird keinen Raketenstart hören, keinen großen Schritt für die Menschheit. Vielmehr beschreibt das Stück welche Bedeutung der Mond für uns Menschen hat. Drei Gedichte von Percy Shelley, Walt Whitman und Philip Larkin verwendet Watkins um die geheimnisvollen Gefühle umzusetzen, die wir mit dem Mond verbinden. Eine gewisse Unerreichbarkeit, die der Mond trotz der erfolgreichen Landung für uns darstellt.

Es ist bereits das dritte Werk, das er als Composer in Residence für das Orchester geschrieben hat, und Watkins schätzt die bereits lange Jahre währende Zusammenarbeit sehr. Auf beiden Seiten besteht da das Gefühl willkommen zu sein, und entspanntes Arbeiten steht im Vordergrund. Zum ersten mal arbeitet der Komponist diesmal auch mit dem BBC National Chorus of Wales. Eine Begegnung, auf die er besonders gespannt ist. 

Da Watkins in den Tälern von Süd-Wales aufgewachsen ist, war das BBC NOW das Orchester seiner Jugend. Umso reizvoller ist es daher, dass heute Abend Tadaaki Otaka dirigiert, stand er doch schon damals, bei Watkins ersten Konzertbesuchen am Pult. 

Die größte Herausforderung für den Pianisten Huw Watkins beim komponieren für so ein großes Ensemble war es, sich von seinem eigenen Instrument gedanklich zu lösen, und wirklich orchestral zu denken. Um auch tatsächlich all die zur Verfügung stehenden Klangfarben zu bedienen und zu nutzen, musste er sich stets auf die Aufführungssituation konzentrieren. Immerhin war es das erste mal, dass er für so eine große Besetzung komponierte. 

Im Vorbeiflug wird die Besatzung der Royal Albert Hall dann noch „Twill by Twilight“ von Toru Takemitsu, „Die Glocken“ von Sergei Rachmaninow und „Fürst Igor“ von Alexander Borodin hören. 

Live verfolgen kann man das Abenteuer heute Abend auf der BBC Sounds Website. Alle Möglichkeiten die Proms von Ferne zu erleben finden sich hier, und alle grundlegenden Informationen zur Veranstaltung stehen hier.

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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