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Einfach Klassik.

Einfach Klassik.

Die Töne zum Leben erwecken

Ein Interview mit der Pianistin SoRyang

Die Pianistin SoRyang begann bereits mit fünf Jahren Klavier zu spielen, erhielt im Alter von elf Jahren ihre ersten Auszeichnungen und schloss ihr Klavierstudium in Essen und Wien ab. Seitdem spielte sie weltweit Klavierkonzerte u.a. in New York, Los Angeles, Dallas, Hongkong, Shanghai, Barcelona, London, Rom, Hamburg, Wien, Salzburg und Berlin. Mit ihrer Idee, klassische Klaviermusik auf historischen Plätzen großer europäischer Städte einem breiten Publikum zugänglich zu machen, wurde sie weit über ihre Wahlheimat Österreich hinaus bekannt.

Vor ihrer anstehenden Herbst-Tournee konnte ich ihr einige Fragen stellen.

SoRyang, Sie haben 2007 eine CD veröffentlicht, auf der Sie bekannte Werke der Klassik in Wien auf der Straße für Passanten spielen. Dass bekannte Musiker das tun ist ja nicht neu, wie kam es aber zu der Idee, das aufzunehmen und zu veröffentlichen?

Als ich 2004 damit begann, klassische Klaviermusik kostenfrei auf öffentlichen Plätzen darzubieten, gab es das noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich in einer Zeit der Orientierungslosigkeit. Also entschloss ich mich, all meinen Mut zusammenzunehmen. Ich stellte ein geliehenes Klavier (oder bei 100% gutem Wetter auch einen Flügel) in die Fußgängerzone in Wien und begann zu spielen. 

Als meine Klänge im Herzen der Musikstadt Wien ertönten, war ich wirklich glücklich. Kurz darauf kam der Geschäftsführer der renommierten Plattenfirma „Preiser Records“ auf mich zu und bot mir einen Vertrag an. Die Klavierfabrik Bösendorfer unterstützte uns zusätzlich. Wir produzierten eine CD mit meiner Straßenmusik und die CD wurde ein Bestseller. Seitdem spielen weltweit professionelle PianistInnen für die Menschen auf der Straße. 

Auch an diesem Ort spielen Sie nicht nur makellos, sondern auch ihre weiche, einfühlsame Interpretation, ohne sich ablenken zu lassen. Haben Sie spezielle Techniken der Konzentration, um in solch einem Umfeld trotzdem diese Leistung zu erbringen?

Ich habe durch die Aktion sehr viel gelernt. Zuerst habe ich meinen Anschlag intensiviert, denn sonst gehen die Töne unter freiem Himmel schnell verloren. Dadurch war es mir möglich, dass mein Spiel aus einer immer größer werdenden Entfernung gehört werden konnte. Danach musste ich einen musikalischen Weg finden, damit die Menschen lange stehen bleiben, um der Musik zu lauschen. Dabei stellte ich fest, dass die Zuhörer nicht unbedingt eine erstaunliche Spieltechnik, sondern emotionales Spiel mögen, das ihr Herz berührt. Bei mir gab es immer eine große Zuhörerschar, die lange stehen blieb, sogar „Stammkunden“. Ich habe es sehr genossen, die abendlichen Plätze in einen Konzertsaal zu verwandeln.

Welche Rückmeldungen haben Sie dort vor Ort von den Zuhörenden über das Projekt bekommen? Gab es da Austausch?

Die Zuhörer waren in der Regel begeistert und blieben teilweise sehr lange stehen, um meinem Vortrag zuzuhören. Darüber hinaus wurde mein Name schnell in der österreichischen Musikwelt bekannt.

Fast unglaublich für mich war es, beim Interview mit der bekannten Sängerin Elina Garanća im Wiener Konzerthaus, als außerordentliche Künstlerin vorgestellt zu werden. Danach wurde ich im Goldenen Saal des Musikvereins engagiert, um für die koreanische Botschaft zu spielen. Weitere spannende Engagements, wie bei der Formel-1 in Monaco für die Investoren des McLaren-Teams zu spielen, folgten. 

Auf Tour mit großem Werk

Sie spielen gern das 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky. Zuletzt auf Ihrer Frühjahrstournee durch Deutschland mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter anderem in der Elbphilharmonie. Es ist ja eines der ikonischen Werke für Klavier, aber was reizt Sie besonders daran?

Mit dem Klavierkonzert Nr. 1 von Tschaikowsky wurde die Carnegie-Hall in New York 1891 eröffnet. Für mich sollte der erste Auftritt in der neuen Elbphilharmonie auch mit dem einzigartigen, wunderschönen Werk beginnen. Es ist sicher eines der populärsten Stücke der Klavierliteratur und ist für mich eines der romantischsten Klavierkonzerte überhaupt. Daneben reizt mich natürlich der hohe Schwierigkeitsgrad des Stücks.

Kommen Sie auf so einer Tournee auch während des Konzertes in Kontakt mit dem Publikum? Erleben Sie auf der Bühne Reaktionen von den Zuhörenden?

Ja. Während des Konzerts spüre ich deutlich, wie die Zuhörer mich verstehen. Da fließen Energien zwischen dem Publikum und mir, es ist ein Geben und Nehmen. Am Ende gibt es oftmals Jubel, Pfeifen und Standing Ovations. Vor allem strahlend lächelnde Gesichter zu sehen, macht mich sehr glücklich. 

War der Besuch in der Elbphilharmonie sehr unterschiedlich zu anderen Konzertorten? Wie haben Sie die Erwartungen des Publikums dort erlebt?

Ich persönlich empfand den Konzertsaal der Elbphilharmonie wie eine Kapsel im Universum, als ob die Außenwelt gar nicht existierte. Das Publikum hat mucksmäuschenstill zugehört und uns mit langanhaltendem Applaus wohlwollend gefeiert. Wir haben dieses Klavierkonzert übrigens mit dem modernen Aufnahmesystem der Elbphilharmonie aufgezeichnet und produzieren hierzu eine DVD, die im Herbst 2019 unter dem Label GRAMOLA erscheinen wird.

Ich erlebe bei jungen Klavierspielern oft, dass der Übergang vom reinen Üben der Noten hin zum Musizieren oder interpretieren nicht einfach ist. Natürlich ist üben, üben, üben wichtig, aber wie haben Sie diesen Wechsel geschafft? Gibt es da Tips?

Ja, Üben ist sehr wichtig. Ohne Liebe zur Musik wäre das Üben nur eine Qual. Ich bin jeden Tag erfreut zu üben, die Töne zum Leben zu erwecken. Sobald ich auf die Bühne gehe, vergesse ich das ganze Üben und trete als „Sängerin“ auf. Während des ganzen Spiels tue ich nichts anderes, als innerlich zu singen. 

Blick in die Zukunft

Sie sind bekannt für ihre Interpretationen der Wiener und generell der Klassik. Nun erarbeiten Sie ein neues Werk zur Uraufführung, die “New York Songs” in der Fassung für Klavier und Orchester von Kristjan Järvi, die Sie vom 4. bis 12. Oktober 2019 mit dem Dirigenten und dem Zagreb Philharmonic Orchestra bei einer Tour durch Kroatien, Österreich, die Schweiz und Deutschland spielen werden. Wie gehen Sie dabei vor, arbeiten Sie auch mit dem Komponisten?

Spannend ist – ohne zu fragen – was der Komponist, in dem Fall Maestro Järvi, mit der Musik ausdrücken möchte und die von ihm geschaffene Musik auf mich wirken zu lassen. 

Ich habe ihn bisher noch nicht getroffen, aber mich bei vielen OrchestermusikerInnen erkundigt, wie er denkt und arbeitet, wie er mit dem Orchester kooperiert. Ich mache mir mein Bild über seine Persönlichkeit und interpretiere seine Musik. Ich bin gespannt und freue mich darauf, wie die Zusammenarbeit letztendlich sein wird. Was ich aber bereits verraten kann, ist, dass die Musik eine stark hypnotisierende Wirkung hat. 

Zagreb Philharmonic Orchestra

Haben Sie Lust generell mehr Neue Musik zu spielen? Da gibt es ja viele interessante Werke, wie zum Beispiel das Klavierkonzert von Witold Lutoslavski.

Bis jetzt nicht. Denn es gibt noch so viel wunderschöne romantische Werke, die ich lernen möchte. Außerdem hat mein Manager ein neues gigantisches Klavierkonzert im klassischen Genre für mich beauftragt. Darauf sind wir sehr gespannt. 

Wie ist ihr Blick in die Zukunft? Welche weiteren Werke oder Epochen möchten sie noch intensiver angehen?

Ich bin spontan. Je nach Anlass fällt mir immer eine schöne, interessante Programmauswahl ein. Im kommenden Dezember spiele ich die letzte Sonate von Beethoven, sozusagen als Jahresabschluss. Ich empfinde dieses Werk als sehr besinnlich. Es ist eine große Herausforderung für ZuhörerInnen und auch für mich – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich könnte es mir leichter machen und nur wohl klingende virtuose Werke spielen, aber ich schätze keine Effekthascherei. 

Grundsätzlich möchte ich gerne ein Werk von Brahms ins Programm einbinden. Denn ich durfte beim großen Brahmsinterpret Detlef Kraus an der Folkwang-Universität in Essen studieren und fühle mich sehr wohl mit der Musik von Brahms. 

SoRyang, vielen Dank für dieses Interview!

Europatour, 4. bis 12. Oktober 2019

Programm
Symphonischer Kolo op.12 von Jakov Gotovac
Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 16 von Edvard Grieg

Fratres für Streichorchester und Schlagzeug von Arvo Pärt
New York Songs Fassung für Klavier und Orchester von Kristjan Järvi URAUFFÜHRUNGSchneeflöckchen op. 12 (Auszüge / Arrangement: Kristjan Järvi) von Peter I. Tschaikowski

4. Oktober, Zagreb, Konzerthalle Lisinski
8. Oktober, Wien, Musikverein
9. Oktober, Dresden, Kulturpalast
10. Oktober, München, Philharmonie am Gasteig
11. Oktober, Zürich, Tonhalle Maag
12. Oktober, Frankfurt, Alte Oper

Titelfoto: SoRyang (c) Kaja Joo

Icon Autor lg
Stefan Pillhofer ist gelernter Toningenieur und hat viel Zeit seines Lebens in Tonstudios verbracht. Er hat viel Hörerfahrung mit klassischer und Neuer Musik gesammelt und liebt es genau hinzuhören. In den letzten Jahren hat sich die Neue und zeitgenössische Musik zu einem seiner Schwerpunkte entwickelt und er ist stets auf der Suche nach neuen Komponist*innen und Werken. Stefan betreibt das Online-Magazin Orchestergraben, in dem er in gemischten Themen über klassische Musik schreibt. Darüberhinaus ist er auch als Konzertrezensent für Bachtrack tätig.
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